2020 hatte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Langstreckentransporte von Kälbern per Erlass verboten. Aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim wurde dieser Erlass nun zurückgezogen.
Die Freude darüber, dass endlich keine Kälber mehr auf Langstreckentransporten von Baden-Württemberg nach Spanien verbracht werden, währte nur kurz. „Diese langen Transporte von Kälbern wurden Ende letzten Jahres durch das Ministerium für Ländlichen Raum per Erlass verboten. Nun gehen diese Transporte aber weiter, da der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in Eilverfahren entschieden hat, dass das zuständige Veterinäramt diese Transporte erlauben und somit abfertigen muss. Der Erlass wurde daher von unserem Haus auch zurückgezogen“, erläutert die Landesbeauftragte für Tierschutz, Dr. Julia Stubenbord.
„Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie jedes Jahr ein Kalb zu Welt bringen. Da nicht alle Kälber, vor allem die männlichen, zum Bestandserhalt der Milchbetriebe benötigt werden und es in Baden-Württemberg kaum Kälbermäster bzw. entsprechend gute Vermarktungswege gibt, werden baden-württembergische Kälber nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch in die Niederlande oder nach Spanien verkauft. Nicht selten werden diese Rinder nach einer Mast in Spanien in Drittländer zur Schlachtung oder gar Schächtung verbracht“, fasst die Tierärztin den Hintergrund zusammen und betont das Dilemma, dass Bullenkälber gar als Nebenprodukt der Milchwirtschaft bezeichnet werden können. Besonders perfide in diesem Zusammenhang empfindet sie, dass ein Großteil des Kalbfleisches aus dem Ausland nach Deutschland wiederum importiert wird.
Enorme Belastungen für Kälber
„Wir müssen nun endlich die Verantwortung für diese Lebewesen übernehmen und ihnen diese enormen Belastungen auf dem langen Transport nach Spanien von derzeit 21 Stunden ersparen. Die auf Milch oder Milchaustauscher angewiesenen Kälber bekommen auf diesem Transport allenfalls ein bisschen Wasser und erleiden daher Durst und Hunger. Auch befinden sich die Tiere derzeit in der sogenannten immunologischen Lücke – der Schutz durch Antikörper der Mutter hat abgenommen, aber der eigene ist noch nicht ausgereift“, erklärt Stubenbord genannte Belastungen anhand einiger Beispiele.
Auch rechtlich hält die Landestierschutzbeauftragte die Transporte, die jedes Mal weit über die erlaubten 19 Stunden gehen, für nicht haltbar, denn diese Transporter seien keinesfalls für den Transport von Kälbern geeignet und haben keine entsprechende Zulassung. Sie betont weiter: „Wir müssen nun mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine Kehrtwende bei diesem systemimmanenten Problem bewirken. Zum einen sollte dringend die Rechtssache, ob diese Transporte so abgefertigt werden müssen, in einem Hauptsacheverfahren geklärt wären, da nicht alle Aspekte in genannte Eilverfahren eingeflossen sind. Am besten wäre es, wenn diese Fragestellung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden würde, da sie europäisches Tiertransportrecht betrifft. Auf der anderen Seite muss ein grundsätzliches Umdenken stattfinden – weniger Kälber insgesamt und wir müssen Mast- und Vermarktungsmöglichkeiten für unsere eigenen Kälber aufbauen, um diese vollumfänglich in die Wertschöpfungskette einzubinden. Auch sollte nicht unterschätzt werden, dass Verbraucher mitunter durch die aufgezeigte Problematik immer mehr zu Alternativprodukten zur Kuhmilch greifen. Denn konsequenterweise sollte jeder, der Milch trinkt, auch Kalbfleisch essen.“
Abwärtsspirale durchbrechen
„Wie alle Tierschutzproblematiken ist auch diese nicht von gestern auf heute entstanden, sondern peu à peu. Nun heißt es, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen und dafür werden alle benötigt: Der sensibilisierte Verbraucher, der auf Herkunft von Rind- und Kalbfleisch achtet oder gar gezielt Milchprodukte aus Betrieben kauft, die alle Kälber großziehen; Landwirte, die bereit sind, Kälber tierschutzkonform zu mästen; Schlachthofbetreiber und Einzelhändler, die die Vermarktung ermöglichen; Veterinärämter, die ein Hauptsacheverfahren anstreben und schlussendlich auch weiterhin die Politik, da es dringend einer Rechtsänderung bedarf“, so Stubenbord abschließend mit dem Verweis auf ein durch die Stabsstelle finanziertes Gutachten, welches alle Aspekte rundum Langstreckentransporte von Kälbern beinhaltet.