Ob das Projekt Stuttgart 21 ab Ende 2025 in Teilen in Betrieb gehen kann, wird von der Deutschen Bahn voraussichtlich erst im Juni entschieden. Die Projektpartner S 21 fordern Planungssicherheit und Zuverlässigkeit für die Fahrgäste.
Die Deutsche Bahn (DB) hat die Projektpartner Stuttgart 21 am 22. März 2024 darüber informiert, dass angesichts der Probleme und Risiken bei den Zeitplänen noch keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob das Projekt Stuttgart 21 ab Ende 2025 in Teilen in Betrieb gehen kann oder ob die Inbetriebnahme insgesamt verschoben werden muss. Eine Entscheidung dazu hat die Deutsche Bahn für Juni angekündigt.
Terminplan für Inbetriebnahme gefordert
Die Projektpartner Stuttgart 21 fordern die Bahn auf, für die verschiedenen Schritte der Inbetriebnahme einen Terminplan vorzulegen. Aus diesem muss hervorgehen, welche Teile der neuen Infrastruktur bis zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen und welche Teile der bisherigen Infrastruktur wann außer Betrieb gehen. Die Projektpartner Stuttgart 21 erwarten, dass die Bahn frühzeitig und verlässlich kommuniziert, welches Verkehrsangebot 2026 realisiert werden kann. Angesichts der schlechten Qualität der S-Bahn und des Schienenpersonennahverkehrs ist es dringend erforderlich, dass schnellstmöglich die neue Infrastruktur verfügbar ist. Die S-Bahn über den neuen Bahnhof Mittnachtstraße geht dann Mitte 2026 in Betrieb und die Gäubahn wird dann entsprechend erst Mitte 2026 unterbrochen.
Diese Planungssicherheit ist jetzt notwendig. Damit kann nicht bis Juni gewartet werden. Über weitere Schritte der Inbetriebnahme bis Ende 2025 kann die Deutsche Bahn auch in den nächsten Monaten entscheiden.
Interessen der Fahrgäste haben Priorität
Die Projektpartner Stuttgart 21 sind sich einig, dass es das oberste Ziel ist, dass es für die Fahrgäste immer einen stabilen, funktionierenden und realistischen Fahrplan gibt – darauf muss das Szenario der Inbetriebnahme ausgerichtet werden. Aus Sicht der Projektpartner Stuttgart 21 stehen die Interessen der Fahrgäste im Mittelpunkt. Die Deutsche Bahn ist aufgefordert, nunmehr so bald wie möglich die weiteren Schritte zur Abstimmung der Fahrpläne und der dafür erforderlichen Fahrzeuge mit den Projektpartnern von Stuttgart 21 einzuleiten. Daneben gilt es auch, die Interessen der Stadt Stuttgart bei der Schaffung neuen Wohnraums zu wahren.
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte: „Einen Holperstart gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Eine ausreichende Vorlaufzeit für Fahrzeugtests und Abnahmen ist dafür die Voraussetzung. Angesichts der hohen Komplexität des gesamten Projekts mit neuer Infrastruktur, neuen Fahrzeugen, neuer digitaler Steuerung, neuen Fahrplänen und neuen Mitarbeitern, braucht es unbedingt genügend Zeit zum Testen. Denn eine Inbetriebnahme des Bahnknotens, bei der es gleich zu Beginn zu massiven Störungen kommt, würde sich auch negativ auf das gesamte Netz auswirken. Das kann niemand ernsthaft wollen.“
Weitere Stimmen
„Wir erwarten von der DB als Bauherrin volle Kraft voraus und wie versprochen spätestens bis Ende Mai Klartextansagen zur Inbetriebnahme des Durchgangsbahnhofs, zum Pfaffensteigtunnel und zum Digitalen Knoten. Die Klartextansage der Stadt lautet: Wir wollen die Inbetriebnahme des Durchgangsbahnhofs und die Realisierung des Pfaffensteigtunnels so schnell wie irgend möglich. Und wir brauchen in Zeiten großer Wohnungsnot auch dringend und schnellstmöglich das Rosensteinquartier mit bis zu 5.700 Wohnungen.“
„Der jetzige Zustand der Infrastruktur ist für uns und die Fahrgäste der S-Bahn unerträglich. Jede Verzögerung macht es schlimmer. Die Bahn muss nun alles daransetzen, die Störungen zu reduzieren und schnellstmöglich zu beheben, auch wenn es mit Investitionen verbunden ist. Das müssen unsere Fahrgäste der Bahn wert sein. Oberste Priorität muss sein, das Netz der S-Bahn zu digitalisieren und damit zukunftsfähig zu machen. Wir rüsten unsere S-Bahnen mit dem European Train Control System (ETCS) aus und stehen hinter dieser Technologie. Jetzt müssen wir die Zeit bis zur Inbetriebnahme nutzen, das System gründlich zu testen. Nur so stellen wir sicher, dass bei der offiziellen Einführung alles glatt läuft.“
„Der Anschluss des Flughafens an den Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene muss schnellstmöglich fertiggestellt werden, das ist ein wesentlicher Baustein für die Verkehrsdrehscheibe Flughafen. Wichtig ist uns dabei auch die Anbindung aus dem Süden über die Gäubahn, diese ist für uns ein essentieller Bestandteil des Projekts.“
Mit dem Projekt Stuttgart 21 sind die Großprojekte Digitaler Knoten Stuttgart (DKS) und das Bedarfsplanprojekt Gäubahnausbau Nord verknüpft. Die Deutsche Bahn verweist zu deren Finanzierung auf intensive Gespräche mit dem Bund.
Für die Digitale Schiene Deutschland hat der Bund Fördermittel bereitgestellt und die Deutsche Bahn durch eine Eigenkapitalerhöhung mit Mitteln ausgestattet. Auf dieser Grundlage hat der Bund eine Finanzierungsvereinbarung der dritten Baustufe des DKS unterschrieben. Die Projektpartner Stuttgart 21 fordern die Deutsche Bahn nachdrücklich auf, diese Vereinbarung ebenfalls zu unterzeichnen und die erforderlichen Eigenmittel auch vereinbarungsgemäß einzusetzen. Ohne die dritte Baustufe des DKS wird die versprochene Leistungssteigerung im Knoten Stuttgart nicht erreicht und die Digitale Schiene Deutschland würde Makulatur.
Mit dem Gäubahnausbau Nord (Pfaffensteigtunnel) wird die Gäubahn nach deren Unterbrechung wieder über den Flughafen an den Stuttgarter Hauptbahnhof angeschlossen. Die Projektpartner Stuttgart 21 haben in einer Gemeinsamen Erklärung mit der Deutschen Bahn und der Bundesrepublik Deutschland am 18. Juli 2022 vereinbart, dass dieses Bedarfsplanprojekt so schnell wie möglich von der Deutschen Bahn realisiert und vom Bund finanziert wird. Die Projektpartner Stuttgart 21 fordern die Deutsche Bahn auf, auch hier für Klarheit zu sorgen und aufkommende Zweifel an der Realisierungsabsicht zu beseitigen. Schließlich handelt es sich funktional nicht um einen Neubau, sondern um die Wiederherstellung der Anbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Bahn muss klarstellen, dass sie in den Gesprächen mit dem Bund hier die höchste Priorität setzt. Die Projektpartner haben die Bahn sehr deutlich daran erinnert, dass die Bahn vertraglich zur Umsetzung der Antragsvariante PFA 1.3b verpflichtet ist, wenn sich Gäubahnausbau Nord erhebliche Verzögerungen ergeben.
Forderungen der Projektpartner Stuttgart 21 an die Deutsche Bahn
Die DB Netz AG gab am 21. April 2020 eine Erklärung zu Inhalten und Zielen des Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) ab. Darin wird beschrieben, dass mit der Realisierung der drei Bausteine des DKS erhebliche Leistungssteigerungen im Knoten Stuttgart verbunden sind. Die DB Netz AG versicherte die Absicht, alle drei Bausteine des DKS zu realisieren, wenn entsprechende Finanzierungsvereinbarungen mit dem Bund vorliegen. Unter der Prämisse und im Vertrauen auf die Erklärung der DB Netz AG haben die Projektpartner Stuttgart 21 im Lenkungskreis am 24. April 2020 einer Digitalen Ausrüstung der Infrastruktur im Projekt Stuttgart 21 zugestimmt und die Entscheidung zur Digitalen Ausstattung aller Regionalverkehrsfahrzeuge und S-Bahnen getroffen.
Nunmehr hat der Bund die Vereinbarung zur Finanzierung und Realisierung zum DKS Baustein 3 unterzeichnet. Seitens der Deutschen Bahn besteht noch ein Gremienvorbehalt. Die Projektpartner fordern die Deutsche Bahn auf, dass dieser Gremienvorbehalt im Laufe des Jahres aufgelöst wird und die erforderlichen Eigenmittel in ihrer Mittelfristplanung vorsehen und vereinbarungsgemäß einsetzen wird.
Denn aus Sicht des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) ist die Umsetzung der ersten Projekte der „Digitalen Schiene Deutschland“ inklusive aller drei Baustufen des DKS mit Unterzeichnung einer Trilateralen Vereinbarung (Trila) 2020 zwischen DB AG, Bundesministerium für Finanzen (BMF) und BMDV im Rahmen der damaligen Eigenkapitalerhöhung vereinbart. Für die Digitale Schiene sind dabei insgesamt vier Milliarden Euro, davon über eine Milliarde Euro zusätzliche Eigenkapitalmittel vorgesehen. Laut Trila 2020 ist das DSD-Starterpaket inklusive der von der DB AG zu erbringenden Eigenmittel damit durchfinanziert.
Die Projektpartner sind sich einig, dass ohne Realisierung des DKS Baustein 3 die Leistungsversprechen des Knotens Stuttgart nicht eingehalten werden könnten, das Pilotprojekt DKS insgesamt scheitern würde und dadurch der von Bund und Deutscher Bahn beabsichtigte Rollout der „Digitalen Schiene Deutschland“ Makulatur würde.
Die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Bahn und die Projektpartner Stuttgart 21 haben am 18. Juli 2022 eine Gemeinsame Erklärung zur Planung und Realisierung der Ausbaustrecke Stuttgart-Singen Grenze D/CH (Gäubahn, Abschnitt Nord (Stuttgart – Böblingen – Goldberg) unterzeichnet. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass der zügige Bedarfsplanausbau der Gäubahn für das Funktionieren des Knotens Stuttgart nach der Inbetriebnahme des Projekts Stuttgart 21 von erheblicher Bedeutung ist und die internationalen Strecke Zürich-Singen Stuttgart Hauptbahnhof so bald wie möglich wieder als Direktverbindung hergestellt werden muss. Die Bundesrepublik Deutschland sagt mit der Erklärung zu, die Gesamtfinanzierung in Form von nicht rückzahlbaren Baukostenzuschüssen einschließlich eventueller Kostensteigerungen sicherzustellen.
Die Projektpartner halten an Zielen und Inhalten der Gemeinsamen Erklärung weiter fest. Die Deutsche Bahn wird aufgefordert, dass die Realisierung des Gäubahnausbau Nord (Pfaffensteigtunnel) bis zur vorgesehenen Inbetriebnahme Ende 2032 erfolgen wird und dass sie sich bei einer eventuellen erforderlichen Priorisierung von Projekten gegenüber dem Bund für eine zeitgerechte Mittelbereitstellung einsetzen wird, sowie dass sie ihren Eigenmittelbeitrag im erforderlichen Umfang in ihrer Mittelfristplanung vorsehen und erbringen wird. Die Anbindung der Gäubahn über den Flughafen an den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof ist zentrale Vertragsgrundlage aller Partner zu Stuttgart 21.
Die Projektpartner weisen darauf hin, dass die Wiederanbindung der Gäubahn gegenüber Neu- und Ausbauprojekten Priorität hat und dass die Deutsche Bahn weiterhin die vertragliche Verpflichtung zur Realisierung des PFA 1.3b hat, sollte sich der Bedarfsplanausbau erheblich verzögern.