Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg arbeitet in zahlreichen Projekten unter anderem an den klimastabilen Wäldern der Zukunft. Bei einem Besuch betonte Forstminister Peter Hauk die Bedeutung der interdisziplinären und praxisorientierten Forschungsarbeit für den Erhalt des Waldes.
„In Zeiten des Klimawandels ist die Walderhaltung ein wichtiges Ziel. Grundlage der Weiterentwicklung unserer Wälder hin zu mehr Klimastabilität sind wissenschaftliche Erkenntnisse. Mit ihrer interdisziplinären und praxisorientierten Forschungsarbeit leisten die Fachleute der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt seit Jahrzehnten wichtige und wertvolle Arbeit zugunsten der Wälder in Baden-Württemberg“, sagte der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk am Dienstag, 28. Juli 2020, in Freiburg. Im Rahmen zahlreicher Projekte würden die Freiburger Forscherinnen und Forscher unter anderem an den klimastabilen Wäldern der Zukunft arbeiten. Das Land unterstütze die Forschungsarbeiten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt FVA im Rahmen des ‚Notfallplans Wald‘ im aktuellen Doppelhaushalt mit rund 3,3 Millionen Euro.
Wälder sind wichtig für die Gesellschaft
„Wie wichtig der Walderhalt ist, zeigt sich gerade in Zeiten der Pandemie. Aus aktuellen Befragungen der FVA wissen wir, dass 77 Prozent der Menschen im Land ihre Freizeit auch im Wald verbringen. Durch COVID-19 hat sich die Zahl der Waldbesucher weiter erhöht und die Menschen bleiben auch länger im Wald, um sich hier zu erholen“, erklärte Hauk. Es wundere daher nicht, dass die aktive Anpassung der Wälder an den Klimawandel von den meisten Menschen im Land auch als richtiger Schritt angesehen wird. „In einer repräsentativen Befragung der FVA haben sich 78 Prozent der Befragten für eine Entnahme von Bäumen ausgesprochen, die von Schädlingen befallen sind. Nur ein Viertel der Befragten gibt an, dass es besser wäre, keine Maßnahmen zu ergreifen. Die Anstrengungen der Landesregierung, der Forstverwaltung sowie vieler Waldbesitzer im Land werden somit von einer Mehrheit der Menschen unterstützt“, betonte der Forstminister.
Schadgeschehen mit großer Dynamik
„Wir erleben derzeit eine extrem hohe Dynamik des Schadgeschehens in unseren Wäldern. Hitze und Trockenheit schwächen die Bäume und bieten Brutstätten für Schadorganismen. Die Aufarbeitung des Schadholzes und die Bekämpfung der Schadorganismen kann mit dieser Dynamik nicht schritthalten“, erklärte der Minister. Vorhandene Baumarten kämen durch das veränderte Klima an die Grenzen ihrer tolerierbaren Wuchsbedingungen. Es müsse daher nach Alternativen für die ausfallenden Baumarten gesucht werden. Dabei sei die Eignung potentieller Alternativbaumarten unter den Wuchsbedingungen in Baden-Württemberg nachzuweisen.
„Insbesondere für Alternativbaumarten mit bisher wenig Anbauerfahrung in Baden-Württemberg und geringer Datengrundlage müssen wir mithilfe neuer Versuchsflächen wichtige Erkenntnisse für die Eignung dieser Baumarten gewinnen“, erklärte Forstminister Hauk. Darüber hinaus gebe es noch weitere wichtige Felder, auf denen zu forschen sei. Insgesamt seien die Projekte der FVA im Rahmen des Notfallplans für den Wald in sieben Feldern gebündelt.
„In der gesellschaftlichen Diskussion um den Wald spielen mitunter Emotionen eine große Rolle“, betonte Prof. Ulrich Schraml, Direktor der FVA. „Die Waldbesitzer und die Forstleute müssen sich bei ihren täglichen Entscheidungen aber auf wissenschaftliche Aussagen stützen können. Dazu brauchen wir ein Bild von der Zukunft des Waldes und eine Bewertung der Handlungsalternativen, die die Verantwortungstragenden im Wald, aber auch die Öffentlichkeit nachvollziehen können. Daran arbeiten wir“, so Schraml weiter. Daher käme auch dem Wissenstransfer der FVA eine erhebliche Bedeutung zu.
Projekte im Rahmen des Notfallplans für den Wald
Die Projekte im Rahmen des Notfallplans für den Wald sind in sieben Feldern gebündelt und setzen sich unter anderem wie folgt zusammen:
Wie können Schadflächen und -mengen ermittelt werden? Für ein effizientes Vorgehen werden Fernerkundungsverfahren weiterentwickelt. Analysen von Ursachen der Baumsterblichkeit werden vertieft und neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Wasser- und Nährstoffversorgung erarbeitet.
Belassen, räumen oder wiederaufforsten? Die Auswirkung dieser Handlungsmöglichkeiten wird untersucht, um die Biodiversität auf Schadflächen zu sichern und zu fördern.
Prognosemodelle für Borkenkäfer werden an die aktuelle Situation angepasst, Alternativen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geprüft und entwickelt. Um effiziente Maßnahmen ergreifen zu können, wird eine belastbare monetäre Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation erstellt.
Grundlage des geplanten Waldumbaus sind angemessen mit Nährstoffen versorgte Standorte. Dabei ist nicht nur der Nährstoffhaushalt ein Thema, sondern auch die Identifikation von geeigneten Saatgutbeständen mit trockenstresstoleranten Bäumen.
Welche Bäume eignen sich für den Wald der Zukunft? Bisher liegen in Baden-Württemberg klimadynamische Baumarteneignungskarten für vier Hauptbaumarten vor (Fichte, Weißtanne, Buche, Traubeneiche); sie sollen um weitere Arten ergänzt werden. In einer Pilotstudie werden auch die Holzeigenschaften von Alternativbaumarten charakterisiert.
Erkenntnisse über verschiedene Eigenschaften von Baumarten, mit denen bisher wenig Anbauerfahrung in Baden-Württemberg besteht, werden mit Hilfe neuer Versuchsflächen erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt auf Laubbaumarten mit heimischer, europaheimischer und außereuropäischer Verbreitung.
Der Dialog über die in den Wäldern anlaufenden Maßnahmen ist ein wichtiges Element des laufenden Transformationsprozesses. Auch die Waldforschung muss sich daher öffnen, damit eine gelingende Debatte über die Zukunft des Waldes im Land stattfinden kann.