Zeitgemäßer Tierschutz braucht Alternativen zu Tierversuchen. Deshalb fördert die Landesregierung gezielt vier Projekte zur Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch mit 400.000 Euro.
„Der Tierschutz im Land ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Wir wollen die Zahl und die Belastung von Versuchstieren in Baden-Württemberg weiter verringern. Unser Förderprogramm für die Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch ist ein bedeutender Baustein für mehr Tierschutz. Mit diesem Programm fördern wir herausragende Forschungsansätze für Alternativmethoden zum Tierversuch. Das Programm ist mit insgesamt 400.000 Euro dotiert“, sagte Verbraucherminister Peter Hauk.
„Baden-Württemberg steht als forschungsstarker Standort in besonderer Weise in der Verantwortung, Alternativen zum Tierversuch zu entwickeln. Deshalb fördern wir gezielt die Entwicklung und Anwendung alternativer Methoden in Forschung und Ausbildung. Mit dem Förderprogramm wollen wir einen Anreiz setzen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in diesem Feld voranzugehen“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. In manchen Forschungsfeldern, beispielsweise bei der Erforschung chronischer Erkrankungen des Menschen oder auch bei der Entwicklung geeigneter Therapien, gebe es noch keine ausreichenden Alternativen. Bestimmte Versuche, beispielsweise im Rahmen von Sicherheitsprüfungen, seien gesetzlich sogar vorgeschrieben, so Bauer weiter.
Hauk und Bauer dankten allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich beworben haben, ausdrücklich für ihr Engagement. Auch die Bewertungskommission, die die eingegangenen Anträge geprüft hat, habe ausgezeichnete Arbeit geleistet, so Hauk und Bauer.
Förderprogramm für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst legen jährlich ein Förderprogramm für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch auf. Für dieses Förderprogramm stehen 400.000 Euro zur Verfügung. Der Preis ist teilbar. Die Forschungsprojekte müssen in Baden-Württemberg oder unter Beteiligung von Einrichtungen aus Baden-Württemberg laufen. Anträge können bis zum 30. April jeden Jahres per Post oder E-Mail beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg eingereicht werden.
Bei der diesjährigen Ausschreibung wurden neun Förderanträge gestellt. Eine mit Vertreterinnen und Vertretern von Tierschutz und Wissenschaft besetzte Bewertungskommission hat daraus vier Projekte ausgewählt, die eine Förderung erhalten:
1. Etablierung einer retinalen Ganglienzelllinie
Dr. José Hurst, Departement für Augenheilkunde, Universitäts-Augenklinik Tübingen
Ziel des Projektes ist es, eine neue reine retinale Ganglienzelllinie zu etablieren. Dies ist bedeutsam für die Untersuchung der Entstehung und Behandlung von Augenerkrankungen wie dem Glaukom oder der retinalen Ischämie, die mit einem Absterben von Nervenzellen der Netzhaut einhergehen. Mithilfe einer solchen Zelllinie lassen sich in-vitro-Ergebnisse gewinnen, die zur Reduzierung von Tierversuchen beitragen können.
2. Zellmodelle für Neurodegeneration
Prof. Dr. Marcel Leist, In vitro-Toxikologie und Biomedizin, Universität Konstanz
Mit diesem Projekt sollen Modelle für neurodegenerative Krankheiten erstellt werden, die auf menschlichen Zellen (Astrozyten in Co-Kultur mit anderen relevanten Zellen) aufbauen. Solche Modelle sollen verwendbar sein für die biomedizinische Grundlagenforschung, die angewandte medizinische Forschung und für pharmakologische Studien.
3. Opti-MIS: Optimierte Melanom In-vitro Schnittkulturen zur präklinischen und personalisierten Testung
Dres. rer. nat. Heike Niessner, Tobias Sinnberg, Sektion für Dermatologische Onkologie, Universitäts-Hautklinik Tübingen
Als Ersatz für ein Mausmodell soll ein organotypisches in vitro Gewebe-Modell zur präklinischen Charakterisierung von Therapien entwickelt werden. Das Modell soll auch als prädiktives Werkzeug zur individualisierten Tumortherapie genutzt werden können.
4. „Brücken“ Enrichment für Mäuse
PD Dr. Sabine Chourbaji, IBF, Universität Heidelberg
Das Projekt zielt darauf ab, ein neues, biologisch relevantes Enrichment für Mäuse zu etablieren. Neben der Standard-Käfigausstattung und Nestbaumaterial sollen verschiedene Brückensysteme (steil und oben abgeflacht) untersucht werden. Hierzu werden Beobachtungen im Käfig und Verhaltenstests an den Tieren durchgeführt. Ziel ist auch, die „Nebenwirkungen“ von aktuell eingesetzten Enrichmentmaßnahmen zu reduzieren.