Die Ergebnisse des IQB-Bildungtrends bestätigen den eingeschlagenen Weg des Landes zur Förderung von Basiskompetenzen. Trotzdem will das Land die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse des Leistungsstands der Schülerinnen und Schüler mit qualitätsvollen und wissenschaftlich fundierten Programmen verbessern.
Nach der Auswertung der bundesweiten Ergebnisse des Bildungstrends 2021 des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Sommer sind nun auch die Daten der Länder zur Untersuchung der Viertklässlerinnen und Viertklässler ausgewertet. Demnach hat in Baden-Württemberg grundsätzlich der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard in den Fächern Deutsch und Mathematik erreichen oder übertreffen, abgenommen. Zugleich haben mehr Kinder den Mindeststandard in diesen Fächern nicht erreicht. Die Ergebnisse wird das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) genau analysieren sowie bewerten – und das Kultusministerium wird darauf aufbauend jenseits bereits in Angriff genommener Maßnahmen wie „Starke BASIS!“ weitere Schritte einleiten, wo dies notwendig ist.
„Das Ergebnis ist nicht überraschend. Angesichts der Schulschließungen in der Corona-Pandemie war zu erwarten, dass die Schere weiter auseinandergeht und die Leistungen der Schüler weiter sinken. Dennoch kann Corona nicht als einzige Erklärung für die Ergebnisse herhalten – es ist insgesamt eine ungute Entwicklung, die sich bereits in den vorherigen Erhebungen angedeutet hat“, sagt Kultusministerin Theresa Schopper. Sie ergänzt: „Die Resultate zeigen aber auch, dass wir uns gegen den Trend gestemmt haben und die Abwärtsbewegung gebremst haben, die in der vorherigen Erhebung 2016 deutlich steiler ausgefallen ist. Aber außer der Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler die Schule grundsätzlich als positiv erleben, können und dürfen uns die Ergebnisse nicht zufriedenstellen. Denn Lesen, Zuhören und Rechnen sind für das weitere Lernen von zentraler Bedeutung und als Basiskompetenzen Grundlage für einen erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg.“
Eingeschlagener Weg muss fortgesetzt werden
Die IQB-Ergebnisse zeigen auch: Der eingeschlagene Weg ist richtig. Bereits in der Folge des vergangenen IQB-Bildungstrends hat das Land etwa mit der Gründung von IBBW sowie dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL), dem regelmäßigen Austausch mit dem wissenschaftlichen Beirat, oder dem Rechtschreib- sowie Grammatikrahmen gegengesteuert. Auch gibt es bereits verschiedene Förderprogramme für die Basiskompetenzen, die im Rahmen von „Starke BASIS!“ gestärkt werden. So hilft zum Beispiel das Transferprogramm „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) bei der Leseförderung, das an mehr als 400 Grundschulen umgesetzt wird. Und in Mathematik gibt es Programme wie das SINUS Profil Mathematik an Grundschulen.
„Wir setzen den bisherigen Weg entschlossen fort. Nicht umsonst haben wir im Koalitionsvertrag (PDF) verankert, dass wir die Basiskompetenzen weiter fördern sowie pandemiebedingte Lücken weiter schließen und dass wir noch intensiver sowie konsequenter schulische Daten erheben und einbeziehen werden“, sagt Kultusministerin Schopper. Sie kündigt an: „Wir werden außerdem die Schnittstelle Kita-Schule sowie die frühkindliche Sprachentwicklung noch mehr in den Blick nehmen. Hierzu werden wir uns vertieft mit den Fachleuten austauschen und passgenaue Lösungen suchen. Denn schon im frühkindlichen Bereich müssen wir die Basiskompetenzen spielerisch und altersangemessen noch mehr in den Fokus stellen.“
Soziale Herkunft bestimmt Bildungserfolg noch zu stark
Die Einbindung von mehr pädagogischen Assistentinnen und Assistenten oder das Freiwillige Pädagogische Jahr sollen weitere Schritte sein, mit denen man im IQB festgestellten Trends entgegenwirkt. So soll auch auf die Tatsache, dass laut IQB insbesondere Kinder aus sozial weniger privilegierten Familien oder mit einem Zuwanderungshintergrund schlechter abschneiden, eingegangen werden: etwa mit dem Einstieg in die sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung und der Erprobung von multiprofessionellen Teams an Grundschulen. „Denn IQB zeigt: Es muss den Ländern besser gelingen, dass eine erfolgreiche Schulkarriere nicht von den Unterstützungsmöglichkeiten im Elternhaus abhängt“, sagt die Kultusministerin.
Ein positives Ergebnis des Bildungstrends ist, dass Kinder unabhängig vom sozialen Hintergrund mit der Schule zufrieden sind. „Schule ist nicht nur Lern-, sondern auch Lebensraum, der den Kindern und Jugendlichen Halt und Struktur gibt. Die hohe Zufriedenheit mit der Schule bestätigt das große Engagement aller Beteiligten im Schulsystem und ist ein großes Kompliment für die Schulen, allen voran für die Schulleitungen und Lehrkräfte“, sagt Ministerin Theresa Schopper. Auch dank ihnen sei der Abwärtstrend in Baden-Württemberg gebremst worden wie die IQB-Analyse zeigt – und das trotz der großen Herausforderungen wie etwa Corona.
- Baden-Württemberg schneidet im Lesen und im Zuhören etwas schlechter als der Durchschnitt der Länder ab – dies betrifft sowohl das Erreichen der Regelstandards als auch das Sichern der Mindeststandards. In Orthografie und in Mathematik hat der Südwesten etwas bessere Werte als der Mittelwert für Deutschland. Grundsätzlich ist der negative Trend Baden-Württembergs etwas geringer als im Bundesdurchschnitt, nur beim Zuhören sind die Veränderungen vergleichbar.
- Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist in Baden-Württemberg weiter deutlich ausgeprägt. Die Unterschiede der Kompetenzen 2021 zwischen Kindern aus privilegierten und weniger privilegierten Haushalten sind beachtlich. Die vom IQB 71 ausgewiesenen Punkte bei der Kompetenz Lesen entsprechen beispielsweise etwa einem Rückstand von etwas mehr als einem Schuljahr. In allen Ländern haben sich indes auch die sozialen Disparitäten vergrößert, in Baden-Württemberg mit Ausnahme des Bereichs Orthografie allerdings im Vergleich zum deutschen Schnitt nicht ganz so stark.
- Der IQB-Bildungstrend 2021 zeigt auch, dass der Südwesten unter den Flächenländern mit fast 50 Prozent den höchsten Anteil an Kindern mit Zuwanderungshintergrund hat. Insgesamt hat nur Bremen einen noch höheren Anteil (58 Prozent), während Deutschland insgesamt bei etwa 38 Prozent liegt. Der Anteil der Kinder mit der Familiensprache Deutsch liegt in Baden-Württemberg um acht Prozentpunkte unter dem Wert für Deutschland. Weiterhin sind die Kompetenzunterschiede zwischen Kindern mit und ohne Zuwanderungshintergrund massiv und schwanken zwischen 72 Punkten (Mathematik) und 123 Punkten (Zuhören).
- Im Vergleich zu 2016 sind in allen Bereichen deutliche Leistungsrückgänge bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund festzustellen (zum Beispiel Lesen minus 35 Punkte, Zuhören minus 46 Punkte). Auch Kinder ohne Zuwanderungshintergrund weisen geringere Kompetenzen als noch 2016 auf, allerdings ist bei ihnen der Rückgang nicht so stark ausgeprägt (zum Beispiel Lesen minus 19 Punkte, Zuhören minus 23 Punkte). Wichtig: Entscheidend ist nicht die Zuwanderung an sich, sondern die häufige Kopplung zwischen Zuwanderung und sozialer Situation mit weniger Unterstützungsmöglichkeiten durch das Elternhaus.
- Geschlechtsspezifische Disparitäten sind im Durchschnitt aller Länder besonders stark ausgeprägt im Lesen und in Orthografie, das gilt auch für Baden-Württemberg (Vorsprung der Mädchen 19 beziehungsweise 31 Punkte). In Mathematik fällt dies zugunsten der Jungen mit 22 Punkten Vorsprung aus. Seit 2011 ist der Abstand zwischen Jungen und Mädchen im Südwesten relativ stabil, nur in Mathematik hat er substanziell zugenommen.
IQB-Bildungstrend 2021
Im IQB-Bildungstrend 2021 hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zum dritten Mal im Auftrag der Kultusministerkonferenz untersucht, inwieweit Viertklässlerinnen und Viertklässler die bundesweit geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Fächern Deutsch und Mathematik für den Primarbereich in den Ländern erreichen.
Am IQB-Bildungstrend 2021 haben 26.844 Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe in 1.464 Schulen aus allen 16 Ländern teilgenommen. Aus Baden-Württemberg waren es 91 Schulen (79 Grundschulen, zwölf Grundschulen der Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) und etwa 1.600 Schülerinnen und Schüler. Die Daten wurden zwischen April und August 2021 erhoben, ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen im Schulbetrieb konnten die geplanten Tests überwiegend wie geplant durchgeführt werden. Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie getestet. Im Fach Mathematik wurden fünf sogenannte inhaltsbezogene mathematische Kompetenzen beziehungsweise Leitideen überprüft, die sich in einer Globalskala mathematischer Kompetenzen zusammenfassen lassen.
Vereinbare Bildungsstandards als Grundlage
Die Bildungstrends werden auf Grundlage der von der Kultusministerkonferenz vereinbarten Bildungsstandards durchgeführt und richten sich damit stärker an der Lehrplanwirklichkeit und Unterrichtspraxis aus als internationale Erhebungen, an denen Deutschland ebenfalls regelmäßig teilnimmt. Die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für den IQB-Bildungstrend 2021 liegt beim IQB unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Petra Stanat.
Die Erstellung eines Rankings ist beim IQB-Bildungstrend mit Vorsicht zu genießen. Denn für eine ausgewogene und zielführende Bewertung ist es wichtig, dass manche Unterschiede statistisch nicht signifikant – also statistisch nicht gesichert – sind. Demnach können die „Plätze“ 4 und 12 tabellarisch wie ein großer Unterschied wirken, während sie vom Leistungsgrad gleich sind. Entscheidender sind daher die Entwicklungen, und hier fällt der Abwärtstrend in Baden-Württemberg grundsätzlich geringer aus als der Deutschlandtrend. Er wurde ein wenig abgebremst. Das ist nicht zufriedenstellend, zeigt aber, dass sich Baden-Württemberg mit aller Kraft gegen die Entwicklung stellt und die bisherigen Maßnahmen bereits greifen. Vor allem wenn man bedenkt, dass Baden-Württemberg beim Bildungstrend 2016 deutlich mehr abgesunken ist als der Bundesdurchschnitt. Bei der Analyse 2021 liegt der Südwesten in der sehr großen Mittelfeldgruppe. Es ist auch vor allem deshalb wichtig, sich nicht auf ein Ranking zu versteifen, weil dieses aus den genannten Gründen dem großen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schulleitungen nicht gerecht wird.
Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen: Bericht des Bildungstrends 2021