Künftig steht mehr Geld für einen guten Nahverkehr in der Fläche zur Verfügung. Stadt- und Landkreise bekommen direkt das Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich für die Finanzierung des Linienbusverkehrs zugewiesen. Bis 2023 steigen die Mittel von 200 auf 250 Millionen Euro. Der Landtag hat heute einen entsprechendem Gesetzentwurf der Landesregierung verabschiedet.
Für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Baden-Württemberg werden mit der Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV entscheidende Anreize geschaffen. Dies betonte Verkehrsminister Winfried Hermann bei der abschließenden zweiten Lesung der Gesetzesnovelle in der Plenarsitzung des Landtags. Durch das ÖPNV-Finanzierungsgesetz werden die Finanzströme zwischen Land, Kommunen und Verkehrsunternehmen neu geordnet und in den kommenden Jahren zusätzliche Mittel hauptsächlich für den Busverkehr bereitgestellt.
Der Minister betonte: „Wir haben die Weichen gestellt für eine zukunftsfeste und rechtssichere Finanzierung und Organisation des öffentlichen Nahverkehrs auf der Straße. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und die Erhöhung der Mittel für den ÖPNV im Land werden die Voraussetzungen schaffen für einen qualitativ besseren ÖPNV und damit mehr Mobilität für Jedermann.“
Das Gesetz sieht vor, dass künftig die Stadt- und Landkreise direkt das Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich für die Finanzierung des Linienbusverkehrs zugewiesen bekommen und diese Mittel vom Jahr 2021 an schrittweise von jährlich 200 Millionen auf 250 Millionen Euro steigen. Die Kreise sind bereits bisher für die Organisation der Busverkehre verantwortlich. In Zukunft werden ihnen auch die Finanzmittel direkt zur Verfügung stehen. Damit können die Kreise den ÖPNV in der Fläche zielgerichtet stärken. Diese Mittel sind insbesondere in ländlichen Regionen die zentrale Finanzierungssäule für das gesamte ÖPNV-Angebot.
Mittel werden zuerst kommunalisiert und danach erhöht
Die Reform wird in zwei Stufen umgesetzt: In der ersten Stufe zum 1. Januar 2018 werden Mittel in Höhe der bisherigen Ausgleichsleistungen von rund 200 Millionen Euro pro Jahr unter Beibehaltung der bisherigen Verteilung zwischen den Kreisgebieten (Status Quo-Verteilung) vollständig kommunalisiert.
In der zweiten Stufe vom Jahr 2021 an werden die Mittel stufenweise um 50 Millionen Euro auf 250 Millionen Euro ab 2023 erhöht werden. Der Betrag wird je zur Hälfte aus originären Landesmitteln und aus dem kommunalen Finanzausgleich erbracht werden. Damit berücksichtigt das Gesetz die durch die Reform ebenfalls notwendige Anpassung des Finanzausgleichsgesetzes. Damit wird künftig mehr Geld für einen guten ÖPNV im Land zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig sieht die Reform vor, dass die Status-Quo-Mittelverteilung durch einen weiterentwickelten Verteilungsschlüssel stufenweise vom Jahr 2021 an abgelöst wird. Dieser enthält raumstrukturelle sowie ÖPNV- und leistungsbezogene Parameter. Minister Hermann erklärte: „Wir wollen hier gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden und den Verbänden des Verkehrsgewerbes eng zusammenarbeiten, um alle Interessen bestmöglich in Einklang zu bringen.“
Sichergestellt wird auch, dass die Zeitkarten im Ausbildungsverkehr, die von Schülerinnen und Schülern genutzt werden, mindestens um 25 Prozent gegenüber den Fahrscheinen für Erwachsene vergünstigt werden. Minister Hermann unterstrich in seiner Rede zugleich, dass kleine und mittelständische Verkehrsunternehmen auch unter den Bedingungen eines zunehmenden Wettbewerbs eine erfolgversprechende Zukunftsperspektive haben sollen: „Wir wollen mit dem Bündnis für den Mittelstand die Weichen stellen für ein gutes Miteinander der Aufgabenträger und der Verkehrsunternehmen.“
Land ersetzt bundesgesetzliche durch landesgesetzliche Regelung
Die bisherigen Ausgleichsleistungen nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) waren seit 2007 pauschaliert. Dies ist in dieser Form nach europäischem Recht fragwürdig und muss in einen rechtskonformen Zustand überführt werden. Über ihre Kernfunktion (Rabattierung von Fahrscheinen des Ausbildungsverkehrs) hinaus haben sich die Ausgleichsleistungen zu einer wichtigen Finanzierungssäule des ÖPNV entwickelt. Mit der Reform macht das Land von einer Öffnungsklausel im PBefG Gebrauch und ersetzt die bundesgesetzliche durch eine landesgesetzliche Regelung.
„Herzstück der Reform“ ist die Zusammenführung der Finanzverantwortung mit der Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise als kommunale Aufgabenträger für Busse und Stadtbahnen zum 1. Januar 2018. Dabei werden die Interessen der Verkehrsunternehmen, die bislang einen direkten gesetzlichen Ausgleichsanspruch gegen das Land hatten, durch die Ausgestaltung der Reform gewahrt. Dies gilt insbesondere auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen des Verbandes Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer e. V. (WBO).
Es ist künftig Sache des jeweiligen Aufgabenträgers, das für ihn passende Instrument zu nutzen. Der gefundenen Einigung ging ein jahrelanger Beteiligungs- und Moderationsprozess voraus. Die Reform wurde von der vorherigen Landesregierung 2014 zurückgestellt und nunmehr neu verhandelt. Zukünftige Handlungsgrundlage für die kommunalen Aufgabenträger ist die Rechtsverordnung (EG) Nr. 1370/2007. Hiernach können allgemeine Vorschriften zur Festsetzung von Höchsttarifen erlassen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge ausgeschrieben werden.
Verkehrsministerium: Fragen und Antworten zur ÖPNV-Finanzreform