Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat mit den Spitzen mehrerer Verbänden und der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit einen Forderungskatalog zur Erleichterung beim Kurzarbeitergeld erarbeitet. Die Forderungen richten sich an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
„Wegen der schwierigen außenwirtschaftlichen Situation, dem Handelsstreit zwischen China und den USA und dem Brexit kämpfen vor allem exportorientierte Betriebe überall im Land mit zum Teil erheblichen Auftragseinbrüchen“, sagte Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut. Das Land sei mit seinem hohen Industrieanteil besonders betroffen. Dies mache sich bereits jetzt in einem starken Anstieg der Kurzarbeit bemerkbar. „Die Betriebe müssten jetzt wissen, wie es weitergeht und was sie tun können, um diese schwierige Phase mit möglichst kompletter Belegschaft zu überstehen. Wir brauchen großzügige Regelungen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Der Bundesgesetzgeber muss jetzt schnell handeln, damit die Unternehmen Planungssicherheit haben“, betonte Hoffmeister-Kaut.
Gemeinsam mit den Spitzen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Baden-Württemberg, des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, der IG Metall Baden-Württemberg, des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages, des Baden-Württembergischen Handwerkstages sowie der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit hat das Ministerium einen baden-württembergischen Forderungskatalog erarbeitet und diesen in einem gemeinsamen Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gerichtet.
Forderungen an Bundesarbeitsminister Heil
Das Papier geht auf das Spitzengespräch zur Konjunkturentwicklung am 16. September 2019 zurück, bei dem die Erarbeitung einer baden-württembergischen Position zur Erleichterung beim Kurzarbeitergeld vereinbart worden war.
„Wir erwarten, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der ein Gesetz zur Reform beim Kurzarbeitergeld und der beruflichen Qualifizierung vor wenigen Tagen angekündigt hat, die baden-württembergischen Forderungen schnellstmöglich aufgreift und damit seinen Teil dazu beiträgt, möglichst viele Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen zu erhalten“, so Hoffmeister-Kraut. Auch über die Wirtschaftsministerkonferenz wolle sich Baden-Württemberg für massive Erleichterungen einsetzen. Entscheidend sei, dass man keine Zeit verliere und die Bundesregierung rasch handle: Im Zentrum der Forderungen stehen dabei deutlich abgesenkte Zugangsvoraussetzungen, eine auf 24 Monate verlängerte Bezugsfrist und großzügige Regelungen zur Übernahme von Sozialversicherungsabgaben durch die Bundesagentur für Arbeit. Diese Erleichterungen haben sich schon während der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 bewährt. Daneben zielen die gemeinsamen Forderungen auf eine verbesserte, den heutigen Anforderungen angepasste Kombination von Kurzarbeitergeld und Qualifizierung ab.
„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wegen mangelnder betrieblicher Auslastung momentan nicht zu hundert Prozent gebraucht werden, müssen die Chance erhalten, sich in dieser Zeit sinnvoll weiterqualifizieren zu können“, so die Ministerin weiter. Gerade aufgrund der Transformation der Wirtschaft im Bereich der Digitalisierung oder der Mobilität, müsse die gezielte Weiterbildung und der Aufbau neuen Knowhows gefördert werden, sagte die Ministerin: „So lassen sich konjunkturelle und strukturelle Maßnahmen optimal verknüpfen.“
Statements der Partner des Spitzengesprächs Konjunktur
Dr. Dietrich Birk, Geschäftsführer VDMA Baden-Württemberg: „Angesichts der Auftragsflaute im baden-württembergischen Maschinenbau wird die Kurzarbeit als Instrument der flexiblen Personalanpassung in den kommenden Monaten deutlich zunehmen. Für die Unternehmen hat dabei oberste Priorität, Kündigungen zu vermeiden. Wir fordern daher Bundesarbeitsminister Heil dringend auf, die Vorschläge zur Erleichterung beim Kurzarbeitergeld aufzugreifen und die Unternehmen zu entlasten. Vor allem eine auf 24 Monate verlängerte Bezugsfrist und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge erhöhen die Planungssicherheit. Sie ermöglichen zudem eine bessere Verzahnung von Kurzarbeit und Qualifizierung.“
Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall: „Jeder Tag, an dem die von uns geforderten Regelungen zum Kurzarbeitergeld nicht in Kraft gesetzt werden, ist ein verlorener Tag: für die Beschäftigten und die Sicherung ihrer Arbeitsplätze, für die Fachkräftesicherung und auch für die Zuversicht, dass wir nach Ende des Konjunkturtiefs ähnlich schnell erstarken wie nach der letzten Krise 2008/2009. Dass es sinnvoll ist, Kurzarbeit mit mehr Qualifizierung zu verbinden, hat auch die letzte Krise gezeigt. Klar ist aber, dass sich jegliche Weiterbildung am Bedarf der Betriebe orientieren muss – und nicht dazu dienen darf, notwendige Strukturanpassungen zu verhindern.“
Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter IG Metall Baden-Württemberg: „Es geht darum, allen Beschäftigten eine Perspektive zu geben und Arbeitsplatzabbau zu vermeiden – nur so können wir die doppelte Herausforderung aus Wandel der Arbeitswelt und einer schwächeren Konjunktur meistern. Dafür müssen Politik, Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam für sichere Beschäftigung einstehen. Erweiterte Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument, um Schwächephasen zu überbrücken, wir brauchen aber auch Möglichkeiten zur Qualifizierung ganzer Belegschaften. Personalabteilungen und Betriebsräte stellt das vor eine große Gestaltungsaufgabe. Die grundsätzlichen Ideen für ein Arbeit-von-Morgen-Gesetz geben die Richtung vor, wie Politik den Strukturwandel gestalten sollte.“
Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit: „Der Bundesagentur für Arbeit stehen mit den Regelungen zur Kurzarbeit und dem Qualifizierungschancengesetz schon jetzt Instrumente zur Verfügung, um Betriebe und Beschäftigte in Baden-Württemberg bei konjunkturellen Auftragsschwankungen und der Bewältigung des Strukturwandels zu unterstützen. Die betriebliche Beratungspraxis zeigt jedoch, dass die Verbindung beider Fördermöglichkeiten kaum gelingt. Hier wären Erleichterungen und Vereinfachungen sinnvoll. In den Beratungsgesprächen ist auch regelmäßig die Frage nach einer teilweisen oder vollständigen Übernahme der zusätzlichen Sozialversicherungsabgaben durch die Bundesagentur für Arbeit, etwa bei Qualifizierung während Kurzarbeit von hoher Relevanz, damit Entlassungen möglichst lange vermieden werden können. Hier wäre frühzeitige Planungssicherheit für die Beratung der Betriebe und deren Entscheidung wünschenswert.“
Gemeinsame Forderungen zur Erleichterung beim Kurzarbeitergeld (PDF)