Der Bundesrat hat drei Initiativen aus Baden-Württemberg für einen effektiveren Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch beschlossen. Justizminister Guido Wolf forderte, dass Sexualstraftätern, die wegen Taten zum Nachteil von Kindern verurteilt wurden, der berufliche und ehrenamtliche Umgang mit Kindern und Jugendlichen dauerhaft verwehrt werden kann.
Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am Freitag, 18. September 2020 drei Initiativen aus Baden-Württemberg für einen effektiveren Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch beschlossen. Die unter dem Eindruck des sogenannten „Staufener Missbrauchsfalls“ eingesetzte Kommission Kinderschutz hatte in Baden-Württemberg in monatelanger Arbeit zahlreiche Einzelempfehlungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Kinderschutzes erarbeitet. Das Ministerium der Justiz und für Europa hat die seinen Geschäftsbereich betreffenden Empfehlungen unverzüglich umgesetzt und die auf die Änderung von Bundesrecht abzielenden drei Anträge damit erfolgreich in den Bundesrat eingebracht.
Justizminister Guido Wolf sagte: „Der Staufener Missbrauchsfall hat niemanden im Land kalt gelassen. Was dort ans Licht kam, hat alle betroffen gemacht. Dies alleine reicht aber nicht aus. Wir müssen aus diesen Vorfällen lernen und dort, wo es rechtliche Änderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten gibt, diese auf den Weg bringen. Das haben wir getan und aus Baden-Württemberg wichtige Impulse und konkrete Vorschläge für einen besseren Schutz von Kindern geliefert. Der Bundesrat hat sich heute unseren Initiativen angeschlossen und damit ein starkes Signal für einen effektiveren Schutz von Kindern gegen sexuellen Missbrauch ausgesandt.“
Kinderschutz im Familienverfahrensrecht
Mit dem baden-württembergischen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht (BR DRs. 360/20) sollen die Vorschläge der Kommission Kinderschutz zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) umgesetzt werden. Die Neuregelungen schärfen die dem Familiengericht in Kinderschutzverfahren obliegende Amtsermittlung, stellen das betroffene Kind noch weiter in den Mittelpunkt und stärken die Kooperation zwischen Familiengericht und Jugendamt.
Unter anderem sieht der Entwurf vor, dass Minderjährigen in Kindschaftssachen stets ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist. In einem neuen Paragraph 160a FamFG soll unter der Überschrift „Anhörung Dritter“ klargestellt werden, dass das Familiengericht auch dritte Personen persönlich anhört, soweit dies veranlasst ist. Zwar ist die Anhörung Dritter im Rahmen der dem Gericht obliegenden Pflicht zur Amtsermittlung nach bisheriger Rechtslage schon möglich und gegebenenfalls veranlasst. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit jedoch – so die Erkenntnisse der Kommission Kinderschutz – nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Zudem sieht der Gesetzentwurf eine gesetzliche Regelung vor, wonach das Familiengericht mit dem Jugendamt auch die Umsetzbarkeit und Umsetzung geplanter Maßnahmen zu erörtern hat. Dies soll sicherstellen, dass geeignete Maßnahmen angeordnet werden, die in der Folge auch vom Jugendamt überwacht werden können.
Stärkung der Führungsaufsicht
Dazu sagte Justizminister Guido Wolf: „Wir sind der Ansicht, dass in Verfahren vor dem Familiengericht der Sachverhalt umfassend ermittelt werden muss – das steht zunächst über allem, um zu richtigen Entscheidungen zu kommen. Daher soll zum Beispiel gesetzlich besonders herausgestellt werden, dass hierzu die persönliche Anhörung Dritter gehören kann. Wir wollen zugunsten der betroffenen Kinder auch das Institut der Verfahrensbeistandschaft nochmals stärken. Zudem soll die Pflicht zum Informationsaustausch zwischen Gericht und Jugendamt im Gesetz ausdrücklich angeordnet und damit gestärkt werden.“
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung der Führungsaufsicht (BR DRs. 362/20) zielt insbesondere auf eine Stärkung des Systems der Führungsaufsicht durch eine Anhebung des Höchstmaßes der Strafandrohung des Paragraph 145a StGB (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht) von bislang drei auf fünf Jahre. Dazu erläuterte Justizminister Wolf: „Wir halten eine Strafschärfung in einem Bereich für erforderlich, der in der Diskussion der vergangenen Wochen noch nicht aufgetaucht ist: Eine der größten Herausforderungen bei Straftätern, die wegen sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden, ist die Vermeidung neuer Straftaten nach Verbüßung ihrer Haftstrafe. Regelmäßig werden den Straffälligen im Rahmen einer angeordneten Führungsaufsicht Weisungen erteilt, wobei der Verstoß gegen eine solche Weisung eine erneute Straftat darstellt. Für diese Straftat sieht das Gesetz derzeit eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Dieses Höchstmaß ist nicht ausreichend und muss auf fünf Jahre heraufgesetzt werden. Denn bei den Täterinnen und Tätern handelt es sich in aller Regel um hafterfahrene Personen, die durch kurzzeitige Freiheitsstrafen oder eine Geldstrafe nicht in ausreichendem Maß davon abgehalten werden können, gegen die Weisungen zu verstoßen.“
Anhaltende Gefährdung von Kindern und Jugendlichen
Beschlossen hat der Bundesrat zudem eine Entschließung zur wissenschaftlichen Evaluierung von Kinderschutzverfahren und zu Änderungen des Bundeszentralregistergesetzes. Der Bundesrat hatte sich auf Initiative Baden-Württembergs bereits im Februar für die zeitlich unbegrenzte Aufnahme von Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und anderem in das erweiterte Führungszeugnis“ ausgesprochen (Bundesratsdrucksache 645/19). Dies hat die Bundesjustizministerin bislang nicht aufgegriffen. Stattdessen sieht der inzwischen vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz lediglich die Verlängerung der Frist für die Aufnahme von Eintragungen auch geringfügiger Verurteilungen wegen besonders kinder- und jugendschutzrelevanter Straftaten sowie die Verdoppelung der Mindesttilgungsfristen für diese Verurteilungen vor.
Das reicht aus Sicht des Justizministerium nicht aus: Die anhaltende Aktualität der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch sexuellen Missbrauch, der von einschlägig vorbestraften Personen mit pädophilen Neigungen verübt werden könnte, erfordert es, das Schutzniveau für Minderjährige zu erhöhen. Dazu Justizminister Wolf: „Wir wollen, dass Sexualstraftätern, die wegen Taten zum Nachteil von Kindern verurteilt wurden, der berufliche und ehrenamtliche Umgang mit Kindern und Jugendlichen dauerhaft verwehrt werden kann. Nach meiner Überzeugung gebietet es der Schutz Minderjähriger, die Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zeitlich unbegrenzt aufzunehmen. Ist im erweiterten Führungszeugnis einmal eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern eingetragen, darf diese nie mehr verschwinden. Das Bundesjustizministerium greift hier zwar unseren Vorschlag einer Änderung auf, will aber lediglich eine Verlängerung. Aus meiner Sicht reicht das nicht aus. Der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vor Sexualstraftätern muss in solchen Konstellationen Vorrang haben.“