Bei einer Veranstaltung in Brüssel hat Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut gefordert, dass das Entlastungspaket der Europäischen Union für kleine und mittlere Unternehmen schneller kommt. Zudem forderte sie eine „regulatorische Atempause“ und gute Rahmenbedingungen durch die Europäische Union.
Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut diskutierte am 8. Dezember 2022 in Brüssel mit Vertretern der EU-Kommission und dem EU-Parlament über die aktuellen Herausforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie die grundsätzliche Ausrichtung der EU-Politik vor dem Hintergrund des „Inflation Reduction Act“ der USA.
„Die KMU schaffen Arbeitsplätze in ganz Europa, sind Innovationstreiber und spielen in den Wertschöpfungsketten eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in ganz Europa. Die vielfältigen Krisen stellen eine enorme Belastung für unsere KMU dar. Neben den Hilfen aus dem Land und dem Bund müssen sie auch auf EU-Ebene entlastet werden“, forderte Hoffmeister-Kraut gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission und des EU-Parlaments.
Grundsätzlich begrüßte die Ministerin das durch die EU angekündigte KMU-Entlastungspaket. Allerdings sei es erst für das 3. Quartal 2023 vorgesehen und komme sehr spät. „Unsere Unternehmen brauchen eine Atempause, sie benötigen jetzt schnelle und spürbare Entlastungen“, forderte Hoffmeister-Kraut. Sie schlug einen Dreiklang von Maßnahmen vor: „Einzelne EU-Vorhaben sollten verschoben, einzelne verbessert und andere wiederum vergrößert werden.“
Regulatorische Atempause gefordert
Zu der ersten Gruppe zählte sie das europäische Lieferkettengesetz und Vorgaben bei der Chemikalienstrategie. „Die damit einhergehenden bürokratischen Belastungen verursachen in den Betrieben einen beträchtlichen Aufwand und damit Kosten und weniger Raum für innovative Weiterentwicklungen. Eine regulatorische Atempause wäre aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage auch im bevorstehenden Jahr 2023 aus meiner Sicht entscheidend, damit sich die Unternehmen auf ihre Krisenbewältigung konzentrieren können und nicht noch mehr Kapazitäten für die Erfüllung neuer gesetzlicher Standards aufwenden müssen.“
Beispielhaft für die Gruppe notwendiger Nachbesserungen führte Hoffmeister-Kraut die EU-Medizinprodukteverordnung sowie die EU-Taxonomie an. Mit Blick auf die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) betonte die Ministerin die Notwendigkeit einer Fristverlängerung für die Zertifizierung von neuen Medizinprodukten.
„Für Bestands- und Nischenprodukte für seltene Erkrankungen haben wir aus Baden-Württemberg bereits im September 2021 Lösungsvorschläge in Form von juristischen Handlungsempfehlungen in Berlin und Brüssel vorgelegt.“ In diesen Handlungsempfehlungen werde fundiert ausgeführt, auf welchem Weg die Kommission ohne eine Änderung der bestehenden MDR zeitnah die Möglichkeit hätte, sowohl Nischen- als auch Bestandsprodukte zu definieren und in Verbindung damit vereinfachte Zertifizierungsregeln durch sogenannte Durchführungsrechtsakte zu erlassen. „Damit wäre den KMU gedient, ohne dass die MDR in einem aufwendigen und zeitraubenden Verfahren geändert werden müsste“, so die Wirtschaftsministerin.
Gute Rahmenbedingungen durch die EU
Dringender Handlungsbedarf für KMU bestehe, so Hoffmeister-Kraut, auch im Bereich der EU-Taxonomie, deren Anwendungsbereich Zulieferprodukte aktuell explizit ausschließe. „Aus meiner Sicht sollte der Fehler, dass nur Endproduktehersteller und keine Zulieferer berücksichtigt werden, dringend korrigiert werden. Die aktuelle Regelung hat zur Konsequenz, dass gerade Zulieferer, die elementar wichtig für nachhaltige Endprodukte sind und zum Beispiel für Vorfinanzierungen besonders auf den Kapitalmarkt angewiesen sind, von diesem abgeschnitten werden.“
Die Wirtschaftsministerin plädierte in Brüssel zudem dafür, bereits bestehende Instrumente zu verstärken und betonte dabei die strategisch wichtige Bedeutung der EU: „Wir brauchen gute Rahmenbedingungen durch die EU, um wirtschaftsstarke Regionen im Transformationsprozess abzusichern.“ Vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Vorgehens zur Förderung von Umwelttechnologien hob sie die strategische Bedeutung von Finanzierungsmöglichkeiten wie des „Chips Acts“ und der „IPCEI-Projekte“ hervor. Des Weiteren forderte sie Freiräume bei den Beihilferegeln auch für innovative Ökosysteme, wie Baden-Württemberg eines sei.
EU-Entlastungspaket und Taxonomie
Das durch die Europäische Kommission geplante KMU-Entlastungspaket soll im dritten Quartal 2023 erlassen werden. Die Maßnahmen beziehen sich auf Themenbereiche wie Zahlungsverzug, bessere Rechtssetzung und Abbau des Verwaltungsaufwands, besserer Zugang zu Finanzierungen und Investitionen, Kompetenzen sowie Energieeffizienz, Resilienz und Nachhaltigkeit. Finanzielle Unterstützungsmaßnahmen wird es hingegen nicht enthalten.
Zur Umsetzung der Taxonomie hat die EU Ende 2021 delegierte Rechtsakte verabschiedet. Diese enthielten rechtliche Unklarheiten, daher legte die Generaldirektion Finanzmarktregulierung der EU-Kommission konkretisierende Leitlinien (sogenannte FAQs) vor. Diese FAQs nehmen Zuliefererprodukte explizit aus dem Anwendungsbereich (nur Endprodukte) heraus und führen so zu einer Benachteiligung auf dem Kapitalmarkt, während Automobilhersteller die vollen Vorteile erhalten.