Bilder und Aufnahmen aus einem baden-württembergischen Schlachthof zeigen bauliche Mängel vor Ort. Diese können in einem engen Zusammenhang mit Verstößen gegen den Tierschutz stehen.
Vor Kurzem sind Bilder und Aufnahmen aus einem baden-württembergischen Schlachthof bekannt geworden, welche auch bauliche Mängel vor Ort zeigen. Die Landesbeauftragte für Tierschutz Dr. Julia Stubenbord äußert sich am 8. September 2022: „Ich bin empört über die Geschehnisse, die sich an dem Schlachthof ereignet haben. In diesem Fall scheinen unter anderem neben fehlender Sachkunde und Empathie des Personals, bauliche Mängel bestanden zu haben, die zu den aufgezeichneten Verstößen geführt haben.“ Bauliche Mängel können in einem engen Zusammenhang mit Verstößen gegen den Tierschutz stehen.
Tierschutzrelevante bauliche Mängel meinen in diesem Zusammenhang keine mangelhafte Wandfarbe, sondern Mängel, die den praktischen Betrieb im Umgang mit den Tieren auf dem Schlachthof systematisch behindern. Beispielhaft können mangelhafte Treibgänge und fehlerhafte Fixier- oder Betäubungsanlagen genannt werden. Mängel sind durch den Betreiber zeitnah zu beseitigen und dies ist durch die Veterinärbehörde zu überprüfen. Der enge Zusammenhang zwischen baulichen Mängeln und Tierschutzverstößen kann anhand der Ausgestaltung von Treibgängen beispielhaft gut erklärt werden.
Tierschutz-Schlachtverordnung
Die Schlachtverordnung der Europäischen Union (EU) regelt unter anderem die bauliche Beschaffenheit von Schlachtbetrieben und wird durch die nationale Tierschutz-Schlachtverordnung ergänzt. Die Regelungen fordern unter anderem, dass Treibgänge so angelegt sein müssen, dass die Tiere möglichst selbstständig vorwärtsgehen.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Treibgänge für die Tiere entsprechend gut einsehbar sind und eine gleichmäßige Bodenbeschaffenheit sowie Ausleuchtung besitzen. Die Tiere dürfen nicht, etwa durch einfallende Sonnenstrahlen geblendet werden oder durch eine vom vorlaufenden Tier zurückschlagende Rücklaufsperre getroffen und erschrocken werden. Genügt die bauliche Beschaffenheit der Treibgänge nicht den artspezifischen Ansprüchen, ist Stehenbleiben und Rückwärtslaufen von Tieren vorhersehbar. Tiere haben artspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung ihrer Umwelt, zum Beispiel durch ihr Sehvermögen, dem Rechnung beim Zutrieb in den Schlachtraum getragen werden muss. Um Betriebe beim Umbau zu unterstützen, stellt das Land Fördermöglichkeiten zur Verfügung.
Einsatz von Treibhilfen muss angemessen sein
Wenn Tiere haltungs- und nutzungsbedingte Beschwerden aufweisen, haben sie zusätzlich Schwierigkeiten beim Gehen und, im Falle eines Sturzes, beim Aufstehen. Durch hohe Schlachtgeschwindigkeiten noch einmal verstärkt, geraten Mitarbeitende bei einem Tierstau im Treibgang in Stress und Zeitdruck, der übermäßige Einsatz von Treibhilfen wie elektrische Viehtreiber wird geradezu provoziert. Die Stromstöße dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen bei erwachsenen Rindern und Schweinen an den Oberschenkeln kurz eingesetzt werden, denn sie führen zu Schmerzen und Leiden bei den Tieren. „Die Tierschutzschlachtverordnung fordert für jene, die Tiere treiben, den hierfür notwendigen Sachkundenachweis“, erinnert Stubenbord. „Das schließt also Kenntnisse über den angemessenen Einsatz von Treibhilfen ein“, mahnt die Tierärztin.
Stubenbord befürwortet die in Baden-Württemberg weitgehend praktizierte, freiwillige Videoaufzeichnung des Schlachtvorganges durch die Betreiber selbst, als gute Möglichkeit, den Tierschutz zu verbessern. „Es ist aber kein Freifahrtschein. Auch betriebseigene Videoüberwachung kann Tierquälerei nicht zu 100 Prozent verhindern. Hier gab es in der Vergangenheit bereits Beispiele. Aber die Videoaufzeichnungen können in der Mitarbeiterschulung eingesetzt werden, um Prozesse zu analysieren und zu verbessern und auch die Veterinärämter können Betriebsabläufe anhand der Videos besser nachvollziehen,“ so Stubenbord.