Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland werden zukünftig eng beim Erhalt und bei der Pflege der etwa 2.000 Gräber von nach Südfrankreich deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeiten.
Auf mehreren Dutzend Friedhöfen im südfranzösischen Raum sind etwa 2.000 Gräber von deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürgern vorhanden. Teilweise befinden diese sich in einem schlechten Zustand, auch eine Auflassung mancher Gräber ist zu befürchten. Daher haben Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland eine engere Zusammenarbeit in der Gräberpflege Vereinbart. Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann und der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Prof. Dr. Konrad Wolf stellten die von den drei Ländern unterzeichnete Vereinbarung im Karlsruher Rathaus vor.
Am 22. und 23. Oktober 1940 deportierten die Nationalsozialisten insgesamt 6.676 jüdische Bürgerinnen und Bürger nach Frankreich. Von diesen kamen 5.617 aus dem heutigen Baden, 825 aus dem heutigen Rheinland-Pfalz und 145 aus dem heutigen Saarland. Die Betroffenen mussten innerhalb weniger Stunden ihre Häuser verlassen und wurden mit insgesamt neun Zügen nach Gurs, einem Ort am Fuße der Pyrenäen, in das dortige, ursprünglich für spanische Bürgerkriegsflüchtlinge errichtete, gebracht. Viele der Deportierten starben im anschließenden Winter 1940/1941 in dem Lager, das aus 400 einfachen Holzbaracken bestand.
Kultusministerium koordiniert Arbeiten auf französischen Friedhöfen
Sie wurden auf dem angrenzenden Lagerfriedhof beigesetzt. Andere Deportierte wurden in Außenlager, zum Teil weit von Gurs entfernt, weiterdeportiert und verstarben dort oder auf dem Weg dorthin. Überlebende wurden schließlich in die Vernichtungslager verschleppt und ermordet, nur wenige der Jüdinnen und Juden aus Baden, Rheinland-Pfalz und dem Saarland kehrten in ihre Heimat zurück. „Gerade in Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus muss es uns ein besonderes Anliegen sein, die Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes, an die über 6.000 nach Gurs deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger, wachzuhalten“, sagte Eisenmann, deren Ministerium die Arbeiten auf den französischen Friedhöfen und die Gedenkstättenarbeit koordiniert.
Aktuell finden Arbeiten auf drei der über 30 Friedhöfe statt, auf denen noch Gräber von deportierten Juden vorhanden sind. „Unser Ziel ist, dass kein Grab aufgelassen wird und alle Gräber in einem würdigen, der jüdischen Begräbniskultur entsprechenden Zustand sind“, so Bildungsminister Ulrich Commerçon aus dem Saarland. Auf dem kommunalen Friedhof von Portet-sur-Garonne beispielsweise, einer Gemeinde in der Nähe von Toulouse, werden derzeit 246 Gräber neu gestaltet und mit hochwertigen Granitplatten versehen. Die Arbeiten werden den Vorgaben jüdischer Sachverständiger entsprechend ausgeführt. „Nach und nach werden wir die Situation auf den anderen Friedhöfen erfassen. Dabei werden wir von den französischen Behörden, auch von der Zentralregierung in Paris, gut unterstützt“, berichtete Wolf. „Es ist uns eine Verpflichtung, den Opfern würdige Grabstätten zu erhalten. Diese Grabmale sind auch Mahn- und ‚Nachdenkmale‘, die uns erinnern, wohin Ausgrenzung und das Schüren von Hass geführt haben und auch heute noch führen können“, ergänzte Wolf.
Deutscher Botschafter in Frankreich unterstützt die Vereinabrung der drei Länder
„Ich begrüße es sehr, dass sich die drei Bundesländer hier engagieren“, sagte der deutsche Botschafter in Frankreich, Dr. Nikolas Meyer-Landrut. Der Bund unterstütze dieses Engagement und stelle die notwendigen Kontakte zu den französischen Behörden her. „Als ich kürzlich in Gurs war, konnte ich mich überzeugen, wie viele öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure bemüht sind, die Erinnerung an die Deportierten wachzuhalten“, ergänzte Meyer-Landrut. Den geplanten Bau eines neuen Dokumentationszentrums am Rande des ehemaligen Lagers verfolge er aufmerksam.
Bei der Pflege des ehemaligen Lagerfriedhofs bringen sich die Städte, aus denen die Menschen 1940 nach Gurs deportiert worden waren, in besonderem Maße ein. „Uns ist es ein Anliegen, dass sich vor allem junge Menschen mit der Geschichte dieses Ortes auseinandersetzen können“, sagte Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, dessen Stadtverwaltung die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs koordiniert, in der Städte und Kommunen zusammengeschlossen sind, aus denen 1940 Bürgerinnen und Bürger deportiert wurden. Die Initiative hierfür war im Jahr 1957 vom Karlsruher Oberbürgermeister Günther Klotz ausgegangen. Nach dem Besuch des damals verwahrlosten Friedhofs durch eine christlich-jüdische Delegation hatte er die betroffenen badischen Städte und Kreise um finanzielle Unterstützung der Instandsetzung des Friedhofs gebeten. Die Gemeinde Gurs verpachtete daraufhin dem Oberrat der Israeliten Badens den Friedhof. Nach der Einweihung der renovierten Ruhestätte im Jahr 1963 finanzierte die Arbeitsgemeinschaft der Städte Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Freiburg und Pforzheim viele Jahre allein die Pflege. Heute gehören ihr 16 Städte aus Baden-Württemberg sowie der Bezirksverband Pfalz an.
Wanderausstellung im kommenden Jahr
Im Oktober 2020 jährt sich die Deportation zum 80. Mal. Die drei Bundesländer haben aus diesem Anlass eine Wanderausstellung bei der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannseekonferenz“ in Berlin zu diesem Thema in Auftrag gegeben. Sie wird voraussichtlich in über 30 Städten im Südwesten Deutschlands und auch in französischen Städten zu sehen sein. „Die Deportationen nach Gurs stellten einen Testfall für die systematische Deportation in die Vernichtungslager dar, die im Oktober 1941 begannen und auch Gegenstand der Wannsee-Konferenz waren“, sagte der Direktor der Gedenkstätte, Dr. Hans-Christian Jasch.