Kommunen und Wirtschaft im Raum Böblingen-Sindelfingen streben einen gemeinsamen Mobilitätspakt an.
Die Region Böblingen-Sindelfingen ist ein attraktiver Standort zum Arbeiten und zum Leben. Das dadurch bedingte hohe Verkehrsaufkommen lässt die Infrastruktur jedoch zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Der bevorstehende Ausbau der Bundesautobahn A 81 wird das Verkehrsgeschehen im Raum Böblingen-Sindelfingen massiv beeinflussen. Um den Bürgerinnen und Bürgern unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine zukunftsorientierte Mobilität zur Verfügung stellen zu können, wollen das Land, das Landratsamt Böblingen, die Städte Böblingen und Sindelfingen, die Mercedes-Benz AG, der Verband Region Stuttgart (VRS), die Industrie- und Hanndelskammer (IHK) Böblingen sowie die Kreishandwerkerschaft Böblingen einen Mobilitätspakt entwickeln. Die Initiative dafür hat das Verkehrsministerium ergriffen und die fachliche Leitung dem Regierungspräsidium Stuttgart übertragen.
Verkehrsinfrastruktur stößt an Grenzen
„Gerade in Ballungszentren stößt die Verkehrsinfrastruktur zunehmend an ihre Grenzen, so auch im Raum Böblingen-Sindelfingen. Um eine zukunftsfähige Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen gilt es, Straße, Schiene, Bus und Rad vernetzt zu denken. Bei einem Mobilitätspakt sitzen Entscheider unterschiedlicher Bereiche an einem Tisch und suchen gemeinsam nach der bestmöglichen Lösung. Denn Mobilität ist vielschichtig“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann.
Nachdem vor der Sommerpause der Kreistag, die beiden Gemeinderäte sowie der Verkehrsausschuss der Regionalversammlung grünes Licht für eine Beteiligung an der Ausarbeitung des Mobilitätspaktes gegeben haben, kann nun mit der Arbeit begonnen werden. Grundlage des späteren Mobilitätspaktes wird ein Maßnahmenbündel sein, das eine spürbare Verbesserung hin zu einer leistungsfähigeren, nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Mobilität bewirken soll und speziell auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten der Region zugeschnitten ist.
Unterzeichnung im Frühjahr 2021
„Wir werden bei der Erstellung des Maßnahmenbündels auch die Positionen verschiedener Interessensgruppen sowie der Bürgerinnen und Bürger einholen, um möglichst alle Aspekte in der Abwägung einbeziehen zu können. Gegen Ende des Jahres planen wir eine Information für die Öffentlichkeit“, sagte Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Eine Unterzeichnung des Paktes ist für das Frühjahr 2021 vorgesehen.
Landrat Roland Bernhard meinte: „Die Partner des Mobilitätspakts bündeln ihre Kompetenzen über öffentliche und privatwirtschaftliche Zuständigkeiten hinweg, um die Probleme im Pendlerverkehr in den Griff zu bekommen. Das Verkehrsaufkommen im Landkreis Böblingen liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt. Unsere Straßen, Schienen und Busse sind stellenweise an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Wir streben daher gemeinsam verkehrsträgerübergreifende Lösungen für die ausgelastete Infrastruktur an. Wir wollen Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, auf der Schiene und Straße, beim Rad- und Fußverkehr sowie dem betrieblichen Mobilitätsmanagement. Wichtig ist die Vernetzung untereinander, Mobilität soll gemeinsam neu gedacht werden – zugunsten von Umwelt und Klima.“
Nachhaltige Mobilität im Sinne des Klimaschutzes
„Mobilität geht häufig über Gemarkungsgrenzen hinaus. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass beim Mobilitätspakt sowohl Interessen der Bürgerschaft als auch Interessen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen eine gezielte Vertretung finden. Das stärkt unseren Wirtschaftsstandort und leistet einen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität von morgen im Sinne des Klimaschutzes. Die Beteiligten werden sich hier abstimmen und an Lösungen und Verbesserungen für alle Verkehrsarten arbeiten können, gerade auch mit Blick auf Großprojekte in der Region wie Stuttgart 21 und den Ausbau der Autobahn A 81“, so der Böblinger Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz.
„Mit der Neukonzeption des Stadtbusverkehrs Böblingen-Sindelfingen konnten wir bereits einen wichtigen Schritt hin zu einer klimafreundlichen attraktiven Mobilität leisten, die derzeitigen Studien hinsichtlich einer Umsetzung eines 15-Minuten-Takts der S-Bahn Linie S60 sowie einer möglichen Anbindung der Stadtbahn an Sindelfingen bieten großartige Potenziale, und auch der Radverkehr hat durch den Radschnellweg und die geplante Radnetzkonzeption an Attraktivität gewonnen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit starken Partnern aus Wirtschaft und Politik und erhoffen uns schnelle und weitreichende Entscheidungen für eine zukunftsfähige Mobilität im Raum Böblingen-Sindelfingen“, so der Sindelfinger Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer.
Alle Verkehrsarten einbeziehen
Michael Bauer, Standortverantwortlicher und Leiter Produktion Mercedes-Benz Werk Sindelfingen, sagte: „Der Mobilitätspakt in der Region Böblingen und Sindelfingen ist eine gute Initiative, bei der wir uns gerne einbringen und aktiv mitarbeiten. Durch unsere mehr als 35.000 Beschäftigten am Standort Sindelfingen sind wir seit über 100 Jahren fest mit der Region und den Menschen verbunden. Die Verbesserung der Mobilität in der Region war und ist uns ein großes Anliegen. Verschiedene Maßnahmen hat der Mercedes-Benz-Standort Sindelfingen bereits umgesetzt: Darunter fällt zum Beispiel das kostenlose Feinstaubticket und der Zuschuss für den öffentlichen Nahverkehr, die Mitfahrgelegenheits-App flinc sowie die Implementierung von Parkleitsystemen. Außerdem sind wir eines der ersten Werke, die die Einfahrt mit dem Fahrrad direkt an den Arbeitsplatz unterstützen, um den Umstieg auf das Fahrrad zu fördern und für die Mitarbeiter attraktiv zu machen. Darüber hinaus haben wir noch weitere Ideen, an denen wir zusammen mit unseren Beschäftigten, dem Landkreis, den beiden Städten Sindelfingen und Böblingen sowie weiteren Beteiligten arbeiten.“
Der Präsident der IHK-Bezirkskammer Böblingen Andreas Hadler erklärte: „Mit Beginn des Autobahnausbaus rechnen viele Betriebe im gesamten Landkreis Böblingen mit Behinderungen im Pendler- und Lieferverkehr. Um die Erreichbarkeit der ansässigen Unternehmen in dieser Phase zu sichern, braucht es ein zukunftsfähiges und auch an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausgerichtetes Mobilitätskonzept, das alle Verkehrsarten einbezieht.“
Private und geschäftliche Interessen berücksichtigen
Thomas Wagner, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Böblingen verdeutlichte die Wichtigkeit des Mobilitätspaktes und verweist auf die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Berücksichtigung der Verkehrsarten, welche die Interessen der Bereiche Business und Privat beachtet. Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr sind wichtig – eine funktionierende und zweckmäßig ausgebaute Verkehrswege- und Parkstruktur auch.
Aus Sicht des Verbandes Region Stuttgart sollte das Ziel des Mobilitätspaktes sein, die Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln zu sichern und negative Auswirkungen der Verkehrsbelastungen zu minimieren.
Im Rahmen eines Mobilitätspakts schließen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft – wie Verkehrsgesellschaften und Wirtschaftsunternehmen – zusammen. Ziel ist es, gemeinsam verkehrsträgerübergreifende Lösungen für die ausgelastete Infrastruktur in den entsprechenden Wirtschaftsräumen zu erarbeiten. Mobilitätspakte umfassen Verbesserungen des öffentlichen Nahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehr, der Straßeninfrastruktur, des Rad- und Fußverkehrs, des betrieblichen Mobilitätsmanagements sowie deren Vernetzung untereinander. Die Idee dahinter ist, Mobilität gemeinsam verantwortlich zu denken. Die Koordination aller Beteiligten und die Vernetzung aller Verkehrsmittel sollen zu spürbaren Verbesserungen führen – zugunsten von Erreichbarkeit, Umwelt und Klima.
In Baden-Württemberg gibt es bereits drei Mobilitätspakte, die unter der politischen Leitung des Landes gegründet wurden: in den Regionen Heilbronn – Neckarsulm, Walldorf – Wiesloch und in Rastatt. Ein weiterer wird derzeit in Aalen – Heidenheim vorbereitet. An diese erfolgreiche Arbeit möchte der Mobilitätspakt Böblingen/Sindelfingen anknüpfen.
- Das Verkehrsministerium übernimmt die politische Führung des Mobilitätspaktes mit dem Ziel einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Mobilität in der Region.
- Das Regierungspräsidium Stuttgart übernimmt die Projektsteuerung des Mobilitätspaktes.
- Der Landkreis Böblingen verfolgt als Partner des Mobilitätspakts das Ziel, die Mobilität im Landkreis nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten.
- Die Stadt Böblingen verfolgt im Mobilitätspakt das Ziel, Verkehr gemeinsam zu denken. Das heißt durch die verschiedenen Partner des Pakts können Interessen der Bürgerschaft als auch Interessen von Arbeitgebernnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten und so Lösungen für alle Mobilitätsarten vom Fußgänger bis zum Autofahrer gefunden werden.
- Die Stadt Sindelfingen ist Standort eines der größten Mercedes-Benz Werke und ein starker Wirtschafts- und Technologiestandort, der in Folge dessen von einem hohen Verkehrsaufkommen belastet ist. Mit Daimler ist die Stadtverwaltung seit jeher in einem intensiven Austausch. Die Stadt Sindelfingen wird die Erarbeitung des Mobilitätspakts Böblingen/Sindelfingen und dem dazugehörigen Maßnahmenbündel intensiv als betroffene Kommune mitgestalten.
- Der Verband Region Stuttgart beteiligt sich auf Fachebene an der Initiative zur Entwicklung eines Mobilitätspaktes. Dabei ist ihm wichtig, unvoreingenommen Verbesserungen für alle Verkehrsmittel zu erzielen. Wenn alle Maßnahmen herausgearbeitet und die Verantwortlichkeiten benannt sind, wird der Verband eine Entscheidung über die Unterzeichnung des Mobilitätspaktes fällen.
- Die Mercedes-Benz AG verfolgt als größter Arbeitsgeber in der Region seit Jahren Maßnahmen des Betrieblichen Mobilitätsmanagements und bringt diese und weitere in den Pakt ein.
- Die IHK-Bezirkskammer Böblingen. Sie vertritt die Interessen von über 21.000 Mitgliedsunternehmen im Landkreis Böblingen. Sie unterstützt die Ausarbeitung eines Mobilitätspakts Böblingen/Sindelfingen auf Fachebene. Über die Unterzeichnung eines Mobilitätspakts entscheidet die IHK-Bezirkskammer Böblingen anhand der Inhalte des finalen Maßnahmenpakets.
- Die Kreishandwerkerschaft für die Region Böblingen. Sie ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts der fachunabhängige Zusammenschluss von Arbeitgebervertretungen (den Handwerksinnungen), die im Landkreis Böblingen beheimatet sind. Sie wahrt die Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen. Sie beteiligt sich derzeit am Mobilitätspakt in beratender Funktion auf Fachebene. Über die Unterzeichnung des Mobilitätspaktes entscheidet die Kreishandwerkerschaft Böblingen nach dem Durchlauf der Gremien und der daraus resultierenden Beschlussfassung.