Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Hessen haben einen Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschlossen. „Damit wollen wir die Kreditversorgung für Häuslebauer verbessern. Die ist zuletzt sichtlich ins Stocken geraten“, betonten Edith Sitzmann, Finanzministerin von Baden-Württemberg, und Dr. Thomas Schäfer, Finanzminister von Hessen.
Grund dafür ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie, mit der die Voraussetzungen für Kredite sich massiv verschärft haben. Schuld an der eingebrochenen Kreditversorgung sei allerdings nicht die EU-Richtlinie, die Immobilienblasen verhindern soll, sondern die Umsetzung in Bundesrecht durch Bundesjustizminister Heiko Maas. „Deshalb können und wollen wir das über den Bundesrat ändern“, so Sitzmann und Schäfer.
Die Voraussetzungen für die Kreditvergabe seien deshalb so hoch, dass viele sie nicht mehr erfüllen könnten. So müsste zum Beispiel sichergestellt sein, dass ein Kredit statistisch gesehen noch zu Lebzeiten aus den laufenden Einkünften zurückgezahlt werden kann – unabhängig vom Wert der Immobilie. „Das trifft sehr viele Menschen, die altersgerecht sanieren wollen. Das muss sich ändern“, so Sitzmann.
„Seit Monaten höre ich von vielen Seiten, dass es bei der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten klemmt. Die EU-Richtlinie hat zwar mit Blick auf mögliche Immobilienblasen das richtige Ziel gehabt, aber die Umsetzung von Bundesjustizminister Heiko Maas war einfach zu viel des Guten“, sagte Sitzmann. Baden-Württemberg hatte bereits im Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2015 angemerkt, dass gerade junge Familien, Senioren und Menschen ohne dauerhaft sicheres Einkommen bei der Kreditvergabe Probleme haben werden. „So vielen Verbrauchern Steine in den Weg zu legen, halte ich für falsch“, so Sitzmann.
Hessens Finanzminister Schäfer ergänzte: „Wer einen Kredit benötigt, muss dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Aber die Bedingungen müssen für normale Menschen noch erfüllbar sein. Die EU-Richtlinie sollte Immobilienblasen vermeiden. Das ist richtig und gut. Die deutsche Regelung aber ist über dieses Ziel hinausgeschossen. Es wäre derzeit rechtlich sogar möglich, dass Menschen ihre in der Vergangenheit finanzierten Wohnungen und Häuser wieder verlieren können. Das kann nicht sein. Wer Wohnung oder Haus altersgerecht sanieren möchte, hat kaum noch eine Chance auf einen Kredit. Das werden wir ändern.“
„Wenn wir nicht schnell handeln, wirft das viele Menschen in ihrer Lebensplanung zurück. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf erarbeitet, der Umsetzungsdefizite beseitigt“, so Sitzmann und Schäfer. Nach den heutigen Beschlüssen kann der Gesetzentwurf am 14. Oktober in den Bundesrat eingebracht werden.
Ergänzungsvorschläge des Gesetzentwurfs
Der Gesetzentwurf enthält folgende vier Ergänzungsvorschläge:
1. Nach derzeitiger Rechtslage setzt die Kreditgewährung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die Wahrscheinlichkeit voraus, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird. Zu dem Begriff „wahrscheinlich“ gibt es jedoch bisher keine Definition, sodass es für Kreditgeber mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden ist, eine Kreditwürdigkeitsprüfung ordnungsgemäß durchzuführen. Der unbestimmte Begriff „Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung“ bedarf daher einer Konkretisierung. Die Wahrscheinlichkeit soll nunmehr auf Grundlage der Fortschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss beurteilt werden können, soweit nicht aufgrund besonderer Umstände erhebliche Zweifel an der Rückzahlung bestehen. Hierdurch wird für Verbraucher und Banken ein deutlicher Zugewinn an Rechtssicherheit erreicht.
2. Nach der aktuellen Rechtslage ist es möglich, dass Menschen wegen einer zwischenzeitlich durch Gesetz verschärften Kreditwürdigkeitsprüfung ihre in der Vergangenheit zu anderen gesetzlichen Bedingungen finanzierten Häuser und Wohnungen verlieren. Diese Folgen sind unzumutbar. Deshalb muss rechtssicher klargestellt werden, dass bei bestehenden Kreditverträgen sowie bei Neuverträgen in Fällen der Anschlussfinanzierung und Umschuldung in der Regel keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung bei demselben Kreditinstitut erforderlich ist, auch wenn seit Inkrafttreten des Wohnimmobilienkreditrichtlinienumsetzungsgesetzes die Bedingungen andere sind.
3. Eine Kreditgewährung ist nach derzeitiger Rechtslage nur noch zulässig, wenn der Kredit innerhalb der statistischen Lebenserwartung des Kreditnehmers vollständig zurückgezahlt werden kann. Dabei darf nicht „hauptsächlich“ darauf abgestellt werden, dass der Wert der Immobilie voraussichtlich zunimmt oder den Kreditbetrag übersteigt. Dadurch wird beispielsweise der altersgerechte Umbau des Wohneigentums verhindert, sofern die laufenden Alterseinkünfte nicht für die vollständige Tilgung innerhalb der statistischen Lebenserwartung reichen. Durch die Übernahme der in Art. 18 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vorgesehenen Ausnahme für Bau und Renovierung wird der Wohnungsbau ebenso wie die Modernisierung, der altersgerechte Umbau und die energetische Sanierung vorhandenen Wohnraums gefördert.
4. Kreditverträge, die der Alterssicherung dienen (sogenannte Immobilienverzehrkredite), fallen momentan in den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes, obwohl sie mit dem Fall der Eigenheimfinanzierung nicht vergleichbar sind. Bei Immobilienverzehrkrediten bekommt der Kreditnehmer das Geld zu Lebzeiten ausgezahlt. Das Darlehen wird in vielen Fällen nach dem Tod durch den Verkauf der Immobilie getilgt. Von daher muss von der bisher nicht genutzten Ausnahme in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2014/17/EU für Immobilienverzehrkredite Gebrauch gemacht werden. Nur so ist es Verbrauchern möglich, Immobilienverzehrkredite in der Praxis zu nutzen. So können zum Beispiel Senioren die Kosten der altersgerechten Renovierung ihrer Immobilie oder die Pflegekosten finanzieren. Der Verkauf der Immobilie und der Umzug in ein Heim können vermieden werden.