Der bundesweite Mangel an Lokführern und Triebwagenfahren stellt alle Unternehmen vor Herausforderungen. Die Bahnunternehmen in Baden-Württemberg wollen bei der Personalsuche nun auf gemeinsame Standards setzen, um die Situation im Nahverkehr auf der Schiene weiter zu verbessern.
In einer im Verkehrsministerium unterzeichneten Erklärung verpflichten sich die führenden Eisenbahnunternehmen gegenüber dem Land, kontinuierlich weiter Personal in diesem Bereich auszubilden. Weiter sind die Unterzeichner einig in dem Ziel, Anreize für mehr Ausbildung zu setzen, insbesondere da ein gegenseitiges Abwerben kein Mittel ist, um das branchenweite Personalproblem zu lösen. Die Vereinbarung mit dem Land Baden-Württemberg wurde jetzt unterzeichnet von den Geschäftsführern Abellio Rail, der Albtal Verkehrs Gesellschaft, der DB Regio Baden-Württemberg, der DB S-Bahn Stuttgart, Go-Ahead, der SBB Deutschland GmbH, der SWEG und der Württembergischen Eisenbahngesellschaft (Transdev). In einem zweiten Schritt werden sich weitere Eisenbahnunternehmen der Verpflichtungserklärung anschließen.
Vereinbarung als starkes Signal in die Branche
„Diese Vereinbarung ist für einen gut funktionierenden Schienenpersonennahverkehr von großer Bedeutung. Die Geschäftsführer geben damit ein starkes Signal in die Branche und zeigen, dass in Baden-Württemberg in Zukunft gemeinsame Standards bei der Rekrutierung und der Ausbildung von Lokführerinnen und Lokführern herrschen. Das zahlt nicht für alle Bahnunternehmen bei der Suche geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten aus“, erklärt der Verkehrsminister Winfried Hermann.
Um geeignete Kandidaten für die Ausbildung zum Triebwagenfahrer zu gewinnen, verpflichten sich die Unternehmen, neben den durch öffentliche Träger finanzierten Qualifizierungsmaßnahmen eigene Finanzmittel in die Ausbildung zu investieren. Durch das Angebot einer vergüteten Qualifizierungsmaßnahme werden potentiell zusätzliche Kandidatengruppen erschlossen. Die beteiligten Eisenbahnunternehmen verpflichten sich zudem, bei Übernahme eines bei einem anderen der unterzeichnenden Unternehmen in Baden-Württemberg ausgebildeten Lokführer zukünftig eine Ausbildungskostenpauschale je nach Ausbildungsvertrag von 20.000 bis 60.000 Euro zu zahlen.
„Triebfahrzeugführer sind gesuchte Fachkräfte, nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für das gesamte System Bahn. Wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mehrere Tausend Euro in die Ausbildung dieser Spezialisten investiert, muss es auch direkt davon profitieren und diese nicht an ein anderes Unternehmen verlieren. Die Personalgewinnung darf deshalb kein Einzelkampf sein, schließlich ist es das gemeinsame Ziel aller Eisenbahnverkehrsunternehmen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“, so David Weltzien, Vorsitzender der Regionalleitung der DB Regio Baden-Württemberg.
Fachkräftemangel im Schienenverkehr
„Triebfahrzeugführer sind zum raren Gut geworden, das branchenweit händeringend gesucht wird. Ziel sollte es daher sein, in die Aus- und Weiterbildung dieser Fachkräfte zu investieren - um den Nahverkehr auf der Schiene nachhaltig zu stärken - anstatt Mitarbeiter anderer Unternehmen abzuwerben. Fairer Wettbewerb darf nicht nach der Ausschreibung aufhören, sondern muss sich in allen operativen Bereichen und bei der Personalgewinnung fortsetzen. Die freiwillige Selbstverpflichtung, die alle Eisenbahnverkehrsunternehmen im Stuttgarter Netz gemeinsam unterzeichnet haben zeigt, das hierüber Konsens herrscht“, sagt Dr. Roman Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH.
„Zufriedene Kunden sind der Maßstab, den wir uns bei der SWEG setzen. Deshalb stehen wir auch hinter der Selbstverpflichtung, die im Sinne des Fahrgastes die Betriebsqualität im Schienennahverkehr sichert, indem ein Wechsel von Triebfahrzeugführern vermieden wird“, sagt Tobias Harms, Technischer Vorstand der SWEG.
„Die Begeisterung für den Beruf des Triebfahrers (neu) zu wecken, möglichst viele junge Menschen zu gewinnen und auszubilden, ist das vielleicht wichtigste Thema für die Zukunft des Schienenverkehrs. Auch deshalb bilden wir in großer Zahl selbst aus. Ebenso wichtig ist uns ein fairer Umgang mit allen Organisationen und Unternehmen im Schienenverkehr – wir alle haben immer das Wohl der Fahrgäste als erstes im Blick. Auch deshalb begrüßen wir die gefundene Vereinbarung, die unserem Credo entspricht, dass Unternehmen nach Ende einer Ausschreibung von Wettbewerbern zu fairen Partner werden“, sagt Simon Scherer, technischer Geschäftsleiter von Go-Ahead Baden-Württemberg. Eine neutrale Clearingstelle soll bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) angesiedelt werden.