In der Debatte über Sanierung, Modernisierung und Digitalisierung des deutschen Schienennetzes ruft der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an. Es geht insbesondere um Finanzierungsfragen im Bundesschienenwegeausbaugesetz.
Mit der Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes sollen die rechtlichen Grundlagen für die Modernisierung des Bahnnetzes gelegt werden. Die Länder verweigerten am Freitag, 22. März 2024, im Bundesrat ihre erforderliche Zustimmung zu der vom Bundestag beschlossenen Novelle. Sie möchten im Vermittlungsausschusses das Gesetz in wichtigen Punkten verbessern und erwarten ein größeres Engagement des Bundes.
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte in der Länderkammer: „Der Bund hat die Schiene über Jahrzehnte unterfinanziert. Der gewaltige Sanierungsbedarf und die geplanten mehrmonatigen Sperrungen wichtiger Strecken sind direkte Folge dieser Politik. Gemäß dem Grundgesetz ist der Bund eindeutig für das Funktionieren des Schienenverkehrs verantwortlich. Es genügt nicht, lediglich die Hauptachsen des Netzes zu sanieren. Das gesamte System Schiene benötigt einen Modernisierungs- und Digitalisierungsschub. Wenn der Bund den Ländern nun die Kosten des Schienenersatzverkehrs und der Digitalisierung sowie der Bahnhöfe zuschiebt, dann stiehlt er sich aus seiner Verantwortung. Die Länder können diese Last nicht tragen.“
Bahn spricht selbst von veralteter Technik des Schienennetzes
Der Minister verwies auf den im Januar 2024 von der DB InfraGO AG veröffentlichten Netzzustandsbericht (PDF). Er stellt vor allem der stark überalterten Leit- und Sicherungstechnik im bundeseigenen Schienennetz ein schlechtes Zeugnis aus. Demnach erhielten mehr als die Hälfte aller Anlagen die Zustandsnote 4 oder schlechter. Der schlechte Zustand der Stellwerke und Signale führe zu Verspätungen und Ausfällen im Schienenverkehr. In den kommenden Jahren müssen im gesamten Netz 2.750 Stellwerke erneuert werden.
Zukunft der Bahn liegt in der Digitalisierung
Minister Hermann warnte davor, hierbei wieder auf herkömmliche Signaltechnik zu setzen und die Chance zur Digitalisierung zu verpassen: „Die bisherige Stellwerkstechnik stammt aus dem letzten Jahrhundert, teilweise sogar aus der Kaiserzeit und gehört in ein Museum. Digitale Leit- und Sicherungstechnik bringt mehr Zuverlässigkeit in das System und schafft Kapazitäten für bessere Angebote auf der Schiene. Die Bahn soll zukünftig im ganzen Netz modernste digitale Leit- und Sicherungstechnik verbauen können, zudem müssen die Züge entsprechend ausgerüstet werden. Es müssen endlich die rechtlichen Grundlagen dafür kommen, dass der Bund sich an diesen Kosten des technischen Fortschritts beteiligen kann.“ Nicht zuletzt sei das auch wichtig für den europäischen Eisenbahnraum, da das deutsche Netz im Zentrum liege.
Kosten nicht bei den Ländern abladen
Es seien vor allem drei gravierende Mängel im Gesetz, die korrigiert werden müssen. Die Kosten der Digitalisierung, die auch in den Fahrzeugen anfallen, dürften nicht bei den Ländern abgeladen werden. Die in der Bahnreform vergessenen Bahnhöfe müssten endlich als Teil der Infrastruktur begriffen, und als solche finanziert und modernisiert werden. Und die riesigen Kosten für den Schienenersatzverkehr mit Bussen bei den mehrmonatigen Vollsperrungen viel befahrener Bahnstrecken könnten nicht den Ländern zugemutet werden.
Die Bundesregierung hat eine Generalsanierung für die sogenannten Hochleistungskorridore im Schienennetz beschlossen. Für die Sperrungen der DB-Strecken müssen leistungsfähige und zuverlässige Ersatzverkehre mit eng getakteten Buslinien und weiträumige Umleitungsverkehre für den Gütertransport organisiert werden. Zusätzlich muss auch auf den Umleitungstrecken der Nahverkehr auf einigen Verbindungen Platz für den umgeleiteten Fern- und Güterverkehr machen und durch Busse ersetzt werden. Die Kosten darf der Bund nicht bei der Wirtschaft, den Eisenbahnverkehrsunternehmen und Ländern abladen. Der Bundesrat und auch die Branche hatten seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens eine Regelung für die Schienenersatzverkehre und die Umleitungsverkehre gefordert.
Anliegen von Ländern, Branche und Fahrgästen nicht berücksichtigt
Der Minister sagte: „Dieses für die Modernisierung der Schiene wichtige Gesetz muss schnell kommen. Die Verzögerungen im Bundestag und jetzt im Vermittlungsverfahren sind ärgerlich, aber nicht durch die Länder verursacht. Die Länder haben sich schon frühzeitig untereinander abgestimmt und den Nachbesserungsbedarf angezeigt. Schließlich wurden die Anliegen der Länder, der Branche und der Fahrgäste nicht berücksichtigt. Der vorliegende Entwurf für das Bundesschienenwegeausbaugesetz ist aus Ländersicht so nicht akzeptabel.“
Hermann erwartet schnelle Einigung im Vermittlungsausschuss
Im Vorfeld der Plenarsitzung hatte bereits der Verkehrsausschuss des Bundesrates mit großer Mehrheit die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen, nachdem Baden-Württemberg und weitere Länder dieses beantragt haben. In der Plenarsitzung folgte der Bundesrat der Empfehlung des Ausschusses.
Minister Hermann erwartet eine schnelle Einigung im Vermittlungsverfahren: „Wir Länder haben bereits sehr früh im Gesetzgebungsverfahren auf die Unzulänglichkeiten im Gesetz hingewiesen und unter den Ländern abgestimmte konkrete Verbesserungsvorschläge eingebracht. Auf diese Vorschläge kann im Vermittlungsverfahren zurückgegriffen werden.“