Die boomende Baukonjunktur führt zu einem hohen Kostendruck bei Bauvorhaben des Landes. Oft gelingt es, Preissteigerungen zu kompensieren. Doch es gibt Projekte, die mehr kosten als geplant. Zuletzt sind aber auch große Vorhaben im veranschlagten Kostenrahmen abgeschlossen worden.
Die Baukonjunktur boomt. Das führt zu einem hohen Kostendruck bei Bauvorhaben des Landes. So liegen einzelne Ausschreibungen von Bauleistungen derzeit um über 100 Prozent höher als bei der Planung veranschlagt. In vielen Fällen gelingt es zwar, die Preissteigerungen zu kompensieren. Doch es gibt Bauvorhaben, die absehbar mehr kosten werden als im Haushalt dafür vorgesehen ist. Finanzministerin Edith Sitzmann berichtete im Kabinett von den aktuellen Entwicklungen.
Hoher Kostendruck bei Bauvorhaben des Landes
Grundlage des Berichts ist eine Untersuchung von knapp 4.400 Aufträgen für Bauprojekte, die von Januar 2017 bis März 2018 vergeben wurden. „17 Prozent davon – also fast 750 – lagen mehr als 20 Prozent höher als geplant. In Euro ausgedrückt, sind das insgesamt rund 123 Millionen.“ Dank Einsparungen bei einem weiteren Teil der Vergaben stieg die Gesamtsumme der Aufträge weniger stark an: Mit rund 787 Millionen waren die Aufträge insgesamt veranschlagt, tatsächlich beauftragt wurden sie zu 848 Millionen Euro. Das ist ein Zwischenergebnis zu den Gesamtbaukosten, gibt aber erste Hinweise auf deren Entwicklung.
Risikovorsorge bei großen Vorhaben
Sitzmann wies darauf hin, dass für Baukostensteigerungen bei großen Vorhaben eine Risikovorsorge getroffen werde. Bisher hat das Land dafür jährlich 2,5 Prozent der Gesamtbaukosten angesetzt, womit die Bauverwaltung in der Summe grundsätzlich zurechtkam. Zwischenzeitlich sind die durchschnittlichen Baupreissteigerungen jedoch deutlich gestiegen. „Das werden wir bei künftig zu etatisierenden Projekten berücksichtigen müssen“, so die Ministerin. Es müsse alles daran gesetzt werden, vor allem bei großen Bauprojekten die Planungstiefe zu erhöhen, ehe Kosten kalkuliert werden. Zudem sei es wichtig, dass während der Planung und Umsetzung keine Änderungen mehr vorgenommen würden. „Wir sind Dienstleister für die künftigen Nutzer. Unsere Vermögens- und Hochbauverwaltung baut, was angefordert wird. Wenn nachträglich zusätzliche Ausstattungen oder Anforderungen an Material umgesetzt werden sollen, macht das ein Projekt teurer“, stellte sie fest. „Unabhängig davon werden alle Projekte fortlaufend auf Einsparpotenziale untersucht. Es wird penibel auf vereinbarte Termine geachtet, um Verzögerungen zu vermeiden. Kommt es bei einzelnen Bauleistungen zu unvermeidbaren Mehrkosten, können diese häufig an anderer Stelle kompensiert werden. Wir tun alles, um die Kosten im Plan zu halten“, so Sitzmann weiter.
Meist Mehr- und auch Minderkosten von weniger als zehn Prozent
Das Ergebnis einer Untersuchung der Baumaßnahmen, die im Landeshaushalt 2007/2008 finanziert waren, inzwischen abgeschlossen und auch abgerechnet sind, bestätigt das: Bei über 80 Prozent der Projekte kam es zu Mehr- und auch Minderkosten von weniger als zehn Prozent. Auch in den vergangenen zwei Jahren sind große Vorhaben im veranschlagten Kostenrahmen abgeschlossen worden. Beispiele sind die Generalsanierung des Hauses des Landtags und das neue Bürger- und Medienzentrum, der Forschungsneubau ARENA 2036 an der Universität in Stuttgart-Vaihingen und die Neubauten für die Landesfeuerwehrschule in Bruchsal.
Trotz aller Vorsorge gibt es einzelne Vorhaben, bei denen nicht alle Mehrkosten kompensiert werden können: „Was jeder kennt, der derzeit einen Handwerker braucht, geht am Land als größtem Bauherrn in Baden-Württemberg nicht spurlos vorüber“, stellte die Ministerin fest. „Wir investieren rund eine Milliarde Euro pro Jahr in die Gebäude des Landes. Das ist richtig und wir wollen das auch in künftigen Jahren fortsetzen.“
Es gibt mehrere Ursachen für Preissteigerungen. Dazu gehören gestiegene Kosten auf lokal besonders aufgeheizten Märkten. Das ist bei der Vertretung des Landes bei der EU in Brüssel der Fall. Die Kosten für deren Erweiterung sind besonders stark gestiegen. Hatte das Land im Jahr 2014 noch mit 17,6 Millionen Euro für den Umbau des bereits erworbenen Nachbargebäudes gerechnet, liegt die aktuelle Prognose nach Verzögerungen aufgrund langwieriger Baugenehmigungen nun bei 30 Millionen Euro – und das bei gleichem Leistungsumfang.
Auch im Land Beispiele für gestiegene Kosten
Auch im Land gibt es Beispiele für gestiegene Kosten. Beim Besucher- und Informationszentrum im Nationalpark Schwarzwald etwa wirken sich die überhitzte Situation in der Baubranche und nachträglich veränderte Anforderungen an den Bau deutlich aus. Allein das Ergebnis der Ausschreibung für den konstruktiven Holzbau mit 6,7 Millionen Euro liegt rund 35 Prozent über dem veranschlagten Budget von fünf Millionen Euro. Das Ausschreibungsergebnis für die Dachabdichtung übersteigt das veranschlagte Budget um rund 39 Prozent, das für die Schindeln sogar um rund 71 Prozent. Dazu kommen besondere Herausforderungen durch die komplexe Gebäudegeometrie. Inzwischen ist der Großteil der Arbeiten ausgeschrieben, der Spielraum für Einsparoptionen ist gering. Die Planer rechnen zum aktuellen Stand mit Projektkosten von rund 35,5 Millionen Euro – 13 Millionen mehr als zuletzt kalkuliert. Dazu kommt eine Risikovorsorge. „Die Steigerungen bei diesem Projekt sind erheblich“, sagte die Ministerin. „Über die hohen Ausschreibungsergebnisse hinaus haben wir bereits Nachforderungen von beauftragten Firmen. Wir werden deshalb externe Rechtsexperten ins Boot holen, die das Projektteam beim Nachtragsmanagement unterstützen.“
Auch beim Neubau des Institute for Machine-Brain Interfacing Technology (IMBIT) in Freiburg macht sich die aktuelle Marktsituation bemerkbar. Die Baukosten summieren sich mittlerweile auf rund 36,9 Millionen Euro – 31,5 Millionen Euro waren veranschlagt. Auch hier liegen die Ausschreibungsergebnisse zum Teil deutlich über dem veranschlagten Budget. Zum Beispiel lag das Ergebnis für Abwasser-, Wasser- und Gasanlagen um 107 Prozent über dem Budget. Für die vorgesehenen Aufzüge ging zunächst kein Angebot ein. Insgesamt kommt es zu Mehrkosten, die mit Einsparungen bei den noch ausstehenden Ausschreibungen nicht ausgeglichen werden können.
Je weniger Angebote, desto höher die Preise
Dass die Situation bei Bauaufträgen angespannt ist, hatte kürzlich auch eine Umfrage der Bauspezialisten Drees und Sommer ergeben. Im Durchschnitt wurden rund sieben Prozent Preissteigerungen ermittelt. Zudem werden derzeit deutlich weniger Angebote für Leistungen abgegeben. „Je weniger Angebote, desto höher die Preise. Es gab schon Ausschreibungen, auf die nur ein oder auch gar kein Angebot einging“, erklärte die Ministerin. „Findet sich bei aktiver Suche wenigstens ein Auftragnehmer, wird das alles andere als günstig.“
Bei Projekten mit Gesamtbaukosten von mehr als zwei Millionen Euro kalkuliert die Bauverwaltung des Landes mit einem Risikopuffer. Im Staatshaushaltsplan wird nicht oder schwer vorhersehbaren Baurisiken wie Baugrundproblemen oder Baupreisschwankungen durch die Ausweisung der sogenannten Risikovorsorge Rechnung getragen. Hierfür werden die Risiken abgeschätzt, transparent im Staatshaushaltsplan dargestellt und es wird finanzielle Vorsorge getroffen.
Risiken früh identifizieren und gegensteuern
Unabhängig davon gehört es zur täglichen Arbeit der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung, Risiken früh zu identifizieren und gegenzusteuern. „Deshalb werden auch etliche der über dem veranschlagten Budget liegenden Ausschreibungsergebnisse im jeweiligen Projekt aufgefangen“, sagte Sitzmann. So lag beim Neubau des Interdisziplinären Tumorzentrums Freiburg (ITZ) das Ausschreibungsergebnis für die Landschaftsbauarbeiten mit 1,9 Millionen Euro rund 30 Prozent über dem veranschlagten Budget. Beim Neubau des Finanzamtes Karlsruhe schlug das Ausschreibungsergebnis für die Rohbauarbeiten mit sieben Millionen Euro und damit rund 20 Prozent mehr zu Buche als veranschlagt. Diese Mehrkosten sollen innerhalb des Projekts ausgeglichen werden.
Weitere Informationen
Seit einiger Zeit liegen die marktbedingten Baupreissteigerungen weit über den üblichen Indexsteigerungen. Daraus ergeben sich häufig nicht vorhersehbare Mehrkosten. Zudem werden vertraglich vereinbarte Leistungen von Architekten, Ingenieuren und Handwerkern oft verspätet erbracht, da die Kapazitäten des Baugewerbes nahezu ausgeschöpft sind.
Die Gesamtbaukosten von Baumaßnahmen zu ermitteln, ist komplex. Es erfordert eine gründliche Planung, Sorgfalt und Fachkunde. Am Beginn jeder Baumaßnahme des Landes steht die vom künftigen Nutzer und vom zuständigen Fachministerium genehmigte quantitative und qualitative Nutzungsanforderung. Sie ist die Grundvoraussetzung für eine konkrete Planung, auf deren Basis die Gesamtbaukosten ermittelt werden. Je detaillierter die Planungen zum Zeitpunkt der Kostenermittlung sind, desto belastbarer sind die ermittelten Gesamtbaukosten.
Finanzministerium: Überprüfung des Bauprogramms im Doppelhaushalt 2007/08