Bund, Länder und Museen tauschen sich zum Umgang mit den Benin-Bronzen aus. Kunstministerin Theresia Bauer betonte ihren Wunsch nach einer Verständigung auf konkrete Schritte und einen Zeitplan.
Im Vorfeld des heutigen Austausches zum Umgang mit den Benin-Bronzen mit Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters, dem Auswärtigen Amt, den Kunstministerinnen und -ministern der Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen sowie den Leitungen der fünf deutschen Museen der Benin Dialogue Group – der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Berlin), dem Linden-Museum Stuttgart, dem Museum am Rothenbaum Hamburg, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – sagte die baden-württembergische Kunstministerin Theresia Bauer:
„Ich wünsche mir, dass wir heute gemeinsam ein Verfahren verabreden mit einem realistischen Fahrplan, an dem wir uns messen lassen, und der uns die Hausaufgaben aufzeigt, die noch zu erledigen sind. Hier müssen viele Entscheider zusammenarbeiten: die unterschiedlichen Träger – also die Kommunen, die Länder oder der Bund – und die Museumsleitungen. Um den Weg für Rückgaben freizumachen, sind einige politische Hürden zu nehmen.“
Weitere konkrete Schritte gehen
Die Ministerin betonte, dass sie nicht dafür plädiere, sich auf Rückgaben zu beschränken oder dafür, sich mit möglichst schnellem Vollzug von Rückgaben zufrieden zu geben. „Aber umgekehrt gilt auch: Wir haben uns lange genug mit der grundsätzlichen Rückgabebereitschaft von Objekten aus kolonialen Unrechtskontexten beschäftigt. Jetzt ist es an der Zeit, konkret zu werden und weitere Schritte zu gehen“, so Bauer weiter. Die Ministerin hatte in der vergangenen Woche bereits eine Roadmap vorgelegt, die einen strukturierten Prozess und Zeitplan zum Umgang mit den Benin-Bronzen beinhaltet, der Rückgaben einschließt, und dafür geworben, dass die Träger der relevanten kulturgutbewahrenden Einrichtungen im heutigen Gespräch gemeinsam konkrete Schritte vereinbaren, abstimmen und umsetzen. „Die Komplexität der Fragen darf nicht der Vorwand sein, um nicht voranzukommen. Es darf keine Ausreden mehr geben für Verzögerungen“, so Bauer.
Mehr Transparenz und neue Art der Kooperation
„Dank des großen Engagements der an der Benin Dialogue Group beteiligten Museen und der langjährigen Aushandlungsprozesse sind wir sehr weit vorangekommen“, sagte die Ministerin. Mit diesem Fachdialog und der umfassenden Offenlegung der einschlägigen Bestände durch die am Dialog beteiligten Museen in Hamburg, Berlin, Stuttgart, Dresden/Leipzig und Köln sei bereits ein unverzichtbarer Grundstein für weitere Schritte gelegt.
„Wir brauchen vollständige Transparenz über das, was sich in den Sammlungen der Museen befindet. Und wir brauchen eine neue Art der Kooperation mit den Herkunftsgesellschaften. Rückgaben sind ein Teil dieser Strategie, vielleicht sogar die Voraussetzung dafür, dass wir eine neue Qualität der Kooperation erreichen können“, betonte Ministerin Bauer.
Rückgabe kolonialer Gegenstände Ausgangspunkt für intensiven Dialog
Die weitere Zusammenarbeit zwischen Nigeria und Deutschland auf diesem Gebiet muss aus Sicht der Ministerin den kontinuierlichen Dialog zwischen den verschiedenen Partnern (neben dem politischen Austausch auch den Austausch von Museumsfachleuten, Kulturschaffenden und von Studierenden) sowie konkrete Kooperationsprojekte beinhalten – wie die baden-württembergische Namibia-Initiative. Diese hat die Rückgabe von Bibel und Peitsche Hendrik Witboois aus dem Stuttgarter Linden-Museum 2019 an Namibia zum Ausgangspunkt genommen für eine intensive Partnerschaft mit Namibia über mehrere Institutionen – Museen, Archive, Hochschulen – hinweg.
„Die Rückgabe kolonialer Gegenstände ist für uns kein Schlusspunkt, sondern ganz im Gegenteil der Ausgangspunkt für einen intensiven Dialog und für neue, starke Partnerschaften mit den Herkunftsgesellschaften. Wir wollen die gemeinsame Kolonialgeschichte auch gemeinsam aufarbeiten und ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen. Das ist der baden-württembergische Weg, wie wir mit unserem kolonialen Erbe umgehen. Und die Erfahrung, die wir in den vergangenen zwei Jahren mit den Projekten unserer Namibia-Initiative gemacht haben, bestärkt uns darin.“
Am 7. Mai findet der Auftakt der virtuellen Eventserie „Narrating Africa #StepTwo“ des Deutschen Literaturarchivs Marbach mit Kunststaatssekretärin Petra Olschowski, Nelson Mlambo, Senior Lecturer an der Universität Namibia, Annette Bühler-Dietrich, außerplanmäßige Professorin für Neuere Deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Stuttgart und Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, statt. Anschließend diskutieren Penda Diouf, Rémy Ngamije und Sylvia Schlettwein über „Diversity in Namibian Literature“.
Linden-Museum Stuttgart
Die Sammlung des Linden-Museums umfasst 64 Bronzen aus dem Königreich Benin. Ein Großteil der Bronzen wurde um 1900 von Felix von Luschan aus Berlin angekauft und durch den Unternehmer und Mäzen Carl Heinrich Eduard Knorr finanziert. Insgesamt zählt das Linden-Museum 81 Objekte aus dem Königreich Benin, dem heutigen Bundesstaat Edo in Nigeria.
Wie alle Beteiligten der Benin Dialogue Group stellt das Linden-Museum Transparenz über seine Sammlungen her und beteiligt die Herkunftsgesellschaften – wie auch in anderen Bereichen der Museumsarbeit – bei der Aufarbeitung und Präsentation der Sammlungen des Museums. Der partnerschaftliche Austausch und der gemeinsame Blick auf die Objekte sind dem Museum und seiner Leiterin Prof. Dr. Inés de Castro besonders wichtig. So wurden die Texte zur Präsentation der Benin-Objekte in der neuen Dauerausstellung „Wo ist Afrika?“ von Vertreterinnen und Vertreter des Benin-Königshauses selbst verfasst.
Namibia-Initiative
In der Namibia-Initiative haben sich Archive, Museen und Universitäten verbunden. Hier kommen Institutionen und Menschen zusammen, die bisher – auch innerhalb Namibias – noch nie zusammengearbeitet haben. Es entstehen neue Formen der Kooperation und Netzwerke zwischen Wissenschaft und Kultur, die auch die Herkunftsgesellschaften einbinden. Für die Namibia-Initiative hat das Land bislang über zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Ziel ist es, die Geschichte der Kolonialzeit stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit gemeinsamen Ausstellungen und Präsentationen in Museen, dem Erforschen der Sammlungsobjekte mit den Herkunftsgesellschaften, der Zusammenarbeit der Archive bei der Auswertung von Quellen, der Erforschung der Rolle der deutschen Kolonialliteratur, der Verbindung der Kunstszenen, dem Studierendenaustausch wie auch der Verortung des Themas im Schulunterricht – es werden gemeinsam Unterrichtsmaterialien für Schüler und Lehrer erstellt – leisten die Projekte der Namibia-Initiative dazu ihren Beitrag.