Eine Debatte über Kosten und Standorte stand im Mittelpunkt des zweiten Bürgerforums zur Opernhaus-Sanierung in Stuttgart. Aus Sicht von Staatsrätin Gisela Erler ist es ein sehr guter Zeitpunkt für eine Bürgerbeteiligung.
Beim zweiten Bürgerforum zur Opernhaus-Sanierung haben sich die zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger am Freitagnachmittag insbesondere mit den veranschlagten Kosten und den verschiedenen Standorten für die Ausweichspielstätte auseinandergesetzt. Eröffnet wurde die Videokonferenz von Staatsrätin Gisela Erler, die noch einmal betonte, dass bisher lediglich eine Planungsrate über 27 Millionen Euro durch den Landtag beschlossen worden sei. Inhaltliche oder planerische Vorgaben seien in dem Beschluss über die Sanierung des Opernhauses nicht enthalten. Es sei daher ein sehr guter Zeitpunkt für eine Bürgerbeteiligung, weil noch nicht alles festgemacht wurde. Das eröffne viele Chancen. „Es hat in Stuttgart bisher noch keine so gebündelte und intensive Auseinandersetzung zum Opernhaus in dieser Form gegeben“, so die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung.
Kosten und Standorte im Mittelpunkt der Debatte
Nachdem zum Auftakt des Bürgerforums vor zwei Wochen eine Expertenrunde insbesondere die baulichen und technischen Gründe für die Sanierung und Erweiterung des Gebäudeensembles erläutert hatte, standen diesmal die Kostenkalkulationen sowie die bisher untersuchten Standorte im Mittelpunkt der Debatte. Grundlage für die bisherige Planung von Stadt und Land ist ein umfangreiches Sanierungsgutachten, das die Abteilung Vermögen und Bau des Landes im Jahr 2014 in Auftrag gegeben hat. „Wir haben einen sehr intensiven und engagierten Prozess hinter uns, bei dem auch die betrieblichen und organisatorischen Aspekte untersucht wurden“, so Tilmann Häcker, der als zuständiger Abteilungsleiter die Position des Landes zum Sanierungsvorhaben vorstellte. Die Kosten seien sehr intensiv untersucht worden, so Häcker. Zudem habe man Aufschläge für Preissteigerungen und weitere Planungen einkalkuliert. Ein wichtiges Ziel sei, das Optimum für den späteren Spielbetrieb zu erreichen.
Für die Landeshauptstadt Stuttgart, die sich mit dem Land Baden-Württemberg die Trägerschaft für die Staatstheater und damit die Kosten teilt, erläuterte Baubürgermeister Peter Pätzold die städtebaulichen Rahmenbedingungen. Die Oper sei ein sehr wichtiger Baustein im gesamten Kulturquartier im Innenstadtbereich, so Pätzold. Bei der notwendigen Sanierung müsse man den gesamten urbanen Raum mitdenken, auch die Öffnung Richtung Staatsgalerie. „Ein entscheidendes Kriterium ist, die momentane Situation an der Kulturmeile zu verbessern“, so der Bürgermeister für Städtebau und Umwelt. Die Stadt habe daher den Architektenwettbewerb Stadtraum B14 initiiert, der auf mehr Lebensraum für die Bürgerinnen und Bürger abziele. Das Ergebnis werde nun bei der weiteren Planung der Opernsanierung berücksichtigt.
Debatte auch über Standort für Interimsspielstätte
Debattiert wurde beim zweiten Bürgerforum auch über den Standort für die notwendige Interimsspielstätte. Sowohl die Stadt Stuttgart als auch das Land präferieren in ihrer Planung einen Standort im neuen Rosensteinviertel bei den Wagenhallen. Nach einer ersten umfangreichen Sichtung seien 18 Flächen in der Stadt intensiv geprüft worden, etwa das ehemalige Paketpostamt im Norden. Übrig geblieben sei letztlich das Areal an den Wagenhallen, das durch seine Lage und die spätere Nutzungsmöglichkeiten überzeuge, so Peter Pätzold. Die Konzeption sehe vor, einen Teil der Interimsspielstätte nach der Nutzung durch die Oper zu erhalten, damit es von der Kreativszene genutzt werden könne. Das passe sehr gut zu den Ateliers und Werkstätten in diesem Quartier.
Die Initiative Aufbruch Stuttgart dagegen lehnt sowohl den Standort für die Ausweichspielstätte als auch den Sanierungsplan selbst ab. Nach dem Auftritt von Wieland Backes zum Auftakt hatte diesmal der freie Architekt Arno Lederer umfassend Gelegenheit, den Zufallsbürgern die Alternativpläne der Initiative vorzustellen und ihre Kritik zu erläutern. Diese richtet sich insbesondere gegen den geplanten Einbau einer Kreuzbühne, der mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar sei. Zudem übt Aufbruch Stuttgart auch Kritik an der Kalkulation. Beim jetzigen Planungsstand sei eine seriöse Schätzung von Kosten und Terminen nicht möglich.
In der Expertenrunde vertreten war auch Eike Möller vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg, der zunächst das zweistufige Planungsverfahren des Landes lobte und dankte, „dass mit ehrlichen Zahlen geplant wird. Insgesamt ist für die Sanierung des Opernhauses und die Ausweichspielstätte eine knappe Milliarde Euro veranschlagt worden. Der Littmann-Bau müsse in jedem Fall saniert werden, so Möller. Die Zeiten hätten sich wegen der Corona-Pandemie aber geändert und die Steuermittel seien sehr knapp. Sparpotential sei durchaus vorhanden. So könne das Thema Interimsspielstätte mit einem möglicherweise geplanten Konzerthaus „zusammengedacht werden“.
Wolfgang Riehle, Stadtplaner und Ehrenpräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, regte in seinem Vortrag einen erweiterten Architektenworkshop an, um die vorgeschlagenen Alternativen fachkundig zu bewerten. Das Thema im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zu erörtern, hält er für gut und richtig: „Baukultur beruht auf guter Verfahrenskultur“, so Riehle.
Zufallsbürger erarbeiten erste Bewertungen
In einem nicht-öffentlichen Teil debattierten die Zufallsbürger dann über die gehörten Vorschläge und erarbeiteten erste Bewertungen. Zuvor war in einer offenen Fragerunde unter anderem darüber diskutiert worden, ob ein Bürgerentscheid bei so komplexen Fragen sinnvoll wäre und wie der künstlerische Anspruch an Interimsspielstätten zu bewerten sei. Gleichzeitig interessierten sie sich auch für Details wie die Kreuzbühne, deren Kosten von rund 18 Millionen Euro nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Sanierungsvolumens ausmachen. Angesichts der Komplexität des Vorhabens wünschen sich die Zufallsbürger einen klaren Vergleich der Varianten, Kosten und Zeitpläne.
Insgesamt haben sich 57 Bürgerinnen und Bürger zwischen 19 und 85 Jahren für das Beteiligungsverfahren gemeldet. Sie sollen sich ein differenziertes Meinungsbild zu den Konzepten erarbeiten, bevor sie im Dezember ein gemeinsames Votum verabschieden. Dieses Bürgergutachten werde im weiteren Planungsprozess eine wichtige Rolle spielen, so Staatsrätin Erler. Beim nächsten Bürgerforum am 13. November wird es inhaltlich um die Vertiefung von Lösungswegen und Handlungsalternativen gehen. Am 11. Dezember soll nach einem weiteren Bürgerforum dann das Votum bekannt gegeben werden. Das jeweilige Programm sowie weitere Inhalte werden auf dem Beteiligungsportal des Landes Baden-Württemberg veröffentlicht.
Beteiligungsportal: Sanierung des Stuttgarter Opernhauses (Themenseite)
Beteiligungsportal: Sanierung des Stuttgarter Opernhauses (Bürgerforen)
Beteiligungsportal: Sanierung des Stuttgarter Opernhauses (Dokumente und Gutachten)
Kunstministerium: Fragen und Antworten zur Opernsanierung
Pressemitteilung vom 12. Oktober 2020: Bürgerbeteiligung zur Opernhaus-Sanierung startet