Der Ausbau der Bahnstrecke Stuttgart – Zürich ist zu vertretbaren Kosten und bei guter Fahrplanstabilität möglich. Dies ist das Ergebnis eines vom Land Baden-Württemberg in Auftrag gegebenen Gutachtens für eine Modernisierung der sogenannten Gäubahn.
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte: „Das Gutachten belegt überzeugend, dass eine Fahrzeitverkürzung zwischen Stuttgart und Zürich um etwa 20 Minuten möglich ist. Mit vergleichsweise überschaubaren Investitionen in die Infrastruktur und in Verbindung mit Neigetechnikzügen können auf der Gesamtstrecke wie auf Teilbereichen mit einer stufenweisen Ausbaustrategie für Fahrgäste deutliche Verbesserungen erzielt werden. Bei anderen Schienenprojekten müssen für wenige Minuten Fahrzeitverkürzung Milliarden investiert werden und selbst eine Bundesstraßen-Ortsumfahrung im Tunnel mit gerade mal 2,5 Kilometer Länge kostet 200 Millionen bis 300 Millionen Euro. Das heißt, das Geld wäre beim Ausbau des internationalen Schienenkorridors Stuttgart - Zürich offenkundig wirtschaftlich aber auch verkehrspolitisch sinnvoll investiert. So könnte die hochfrequentierte A 81 spürbar entlastet werden. Denn eine schnelle Zugverbindung mit guten Anschlüssen würde das Umsteigen auf die umweltfreundliche Bahn ermöglichen. Welche der möglichen Ausbauvarianten am Ende am sinnvollsten ist, muss noch geprüft werden. Aber nach Vorlage des Gutachtens ist klar: Es gibt keine Gründe mehr, den Ausbau der Gäubahn aufzuschieben. Die Strecke Stuttgart - Zürich muss in den Vordringlichen Bedarf.“
Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat das wie angekündigt noch im August fertiggestellte Gutachten am Montag an das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur geschickt. Die Expertise wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Firmen Ernst Basler + Partner AG, Zürich (EBP; Federführung), VIA-Con Consulting & Development, Aachen, und Sweco GmbH, Bremen (vormals Grontmij GmbH) erstellt. Mit der umfassenden Studie wurde untersucht, wie die Zielvorstellungen des deutsch-schweizerischen Vertrages von Lugano aus dem Jahr 1996 erreicht werden können.
Damals wurde vereinbart, durch den Einsatz von Neigetechnik-Zügen die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich auf zwei ein Viertel Stunden zu verkürzen. Heute ist man im Inter-City-Zug knapp drei Stunden unterwegs. Die Achse Stuttgart – Zürich verbindet die besonders wirtschafts- und bevölkerungsreichen Agglomerationen Stuttgart und Zürich und erschließt dazwischen Räume mit guten sozioökonomischen Entwicklungschancen, die nicht wegen unzureichender Schienenverkehrsinfrastruktur verspielt werden dürfen.
Die Achse Stuttgart – Zürich ist eine elektrifizierte Hauptbahn und Bestandteil des Grundnetzes des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes (TEN). Sie ist Zulaufstrecke zur „Neuen Alpen-Transversale“ (NEAT), dem vor kurzem neu eröffneten Gotthard-Basistunnel Richtung Italien. Aufgrund ihrer vielen einspurigen und kurvenreichen Abschnitte ist sie jedoch nur beschränkt leistungsfähig.
Das Gutachten des Landes hat daher alle Parameter für Fahrzeitverkürzungen, also die Schieneninfrastruktur sowie die Fahrzeuge (konventionelle wie Neigetechnikfahrzeuge) in den Blick genommen. Zusätzlich wurde erstmals eine komplette Betriebssimulation durchgeführt, um auch die Fahrplanstabilität eines beschleunigten Betriebs zu untersuchen. Dabei wurden auch die neuesten Angebotsplanungen insbesondere beim Schienenpersonennahverkehr in Deutschland und in der Schweiz einbezogen, sowie die Einbindung in die Knoten Stuttgart und Zürich.
Wesentliche Kernaussagen des Gutachtens
Eine Fahrzeitverkürzung von 19 Minuten, die durch bessere Anschlüsse im Gesamtnetz eine Fahrzeitverkürzung von einer halben Stunde bewirkt, kann bei einer wirtschaftlich optimalen Betriebsqualität (Fahrplanstabilität) unter folgenden Voraussetzungen erreicht werden:
- mit einem moderaten Mitteleinsatz (je nach Variantenwahl zwischen 220 Millionen und 285 Millionen Euro für den Ausbau der Infrastruktur)
- durch den Einsatz Neigetechnikzügen.
Der Ausbau der Infrastruktur ist auch schrittweise möglich. Er nützt vor allem dem Personenfernverkehr, bringt aber auch viel für eine bessere Qualität im Personennahverkehr und im Güterverkehr. Damit werden alle Verkehrsarten und somit die Attraktivität der Schiene insgesamt gestärkt.
Weiteres Vorgehen
Das Land hat das Gutachten dem Bund als Verantwortlichen für den Gäubahn-Ausbau übermittelt. Der Bund ist derzeit dabei, die Gäubahn im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes 2030 (BVWP 2030) zu bewerten. Diese Bewertung ist noch nicht abgeschlossen, daher ist die Gäubahn momentan noch im „Potenziellen Bedarf“ (PB) des BVWP 2030 aufgeführt. Die dort gelisteten Vorhaben können im Fall einer positiven Bewertung in den „Vordringlichen Bedarf“ (VB) aufsteigen.
Mit dem Landesgutachten liegt dem Bund nun eine zusätzliche, aktuelle und fundierte Entscheidungsgrundlage für den Ausbau vor. Die Strecke ist auch Bestandteil des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes (TEN) und verbindet Deutschland mit seinen südlichen europäischen Nachbarn Schweiz und Italien.