Bund und Land wollen den Ausbau der internationalen Schienenverbindung Stuttgart-Zürich zügig vorantreiben. Fragen des zukünftigen Betreiberkonzeptes sollen bei einem hochrangigen deutsch-schweizerischen Treffen zeitnah geklärt werden. Der Einsatz von Neigetechnikzügen wird dabei das zentrale Thema sein.
Der Bund und das Land Baden-Württemberg wollen den Ausbau der internationalen Schienenverbindung Stuttgart-Zürich zügig vorantreiben. Dies ist das Ergebnis von Gesprächen, die Landesverkehrsminister Winfried Hermann zusammen mit Justizminister Guido Wolf, der zugleich Vorsitzender des Interessenverbands Gäubahn ist, im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin führte. Beide trafen sich mit dem Staatssekretär Michael Odenwald und dem Parlamentarischen Staatssekretär Norbert Barthle. Dabei verständigten sich die Teilnehmer des Treffens darauf, den Ausbau für die Beschleunigung der Verbindung Stuttgart – Singen – Zürich voranzutreiben.
Einsatz von Neigetechnikzügen
Eng verzahnt mit dem Ausbau ist der anschließende Betrieb mit Neigetechnik-Fernverkehrszügen, von deren Einsatz sich die Deutsche Bahn (DB) verabschiedet hat. Deren Einsatz ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die angestrebte Verkürzung der Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich. Um die Voraussetzungen für den Einsatz von Neigetechnikzügen der schweizerischen Bundesbahn (SBB) oder einem ganz anderen Betreiber zu klären, haben die Teilnehmer ein zeitnahes hochrangiges Treffen zwischen deutschem und Schweizer Bund, dem Land Baden-Württemberg sowie den beiden staatlichen Bahngesellschaften DB und SBB vereinbart.
Minister Hermann sagte: „Wir haben beim Bund die klare Bereitschaft bestätigt bekommen, den Ausbau voranzutreiben, sobald das Betreiberkonzept für die Neigetechnikzüge steht.“ Er begrüßte auch ausdrücklich die vorangegangenen klaren Aussagen des Schweizer Bundes, den Ausbau und den Einsatz der Neigetechnikzüge auf der Gäubahn zu unterstützen.
550 Millionen Euro für den Ausbau der Gäubahn
Die Schienenverbindung ist auf der etwa 70 Kilometer langen Strecke zwischen Horb und Tuttlingen nur eingleisig. Der Verkehr soll durch den Bau von sogenannten Doppelspurinseln im Ablauf beschleunigt werden. Als erstes Bauprojekt soll der Abschnitt südlich von Horb in Angriff genommen werden.
Die Bundesregierung hatte im Oktober 2016 entschieden, den Ausbau der Gäubahn wieder in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 aufzunehmen. Dafür hatte sich ein breites Bündnis aus Parteien, Verbänden und Wirtschaft stark gemacht. Für den Ausbau will der Bund etwa 550 Millionen Euro bereitstellen.
Ein Gutachten des Landes hatte zuvor ergeben, dass der Ausbau der Bahnstrecke Stuttgart – Zürich zu vertretbaren Kosten und bei guter Fahrplanstabilität möglich ist. Demnach kann die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich um etwa 20 Minuten verkürzt werden, wenn die Strecke teilweise ausgebaut und wenn Neigetechnikzüge eingesetzt werden. Durch diese Verkürzung der Fahrzeit wird es möglich, im Halbstundentakt passende Anschlüsse in Zürich zu erreichen und damit die Attraktivität der Strecke im internationalen Bahnverkehr deutlich zu steigern.
Die vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Expertise hatte die Arbeitsgemeinschaft der Firmen Ernst Basler + Partner AG, Zürich (EBP; Federführung), VIA-Con Consulting & Development, Aachen, und Sweco GmbH, Bremen (vormals Grontmij GmbH) erstellt. Mit der umfassenden Studie wurde untersucht, wie die Zielvorstellungen des deutsch-schweizerischen Vertrages von Lugano aus dem Jahr 1996 erreicht werden können.
Die Achse Stuttgart – Zürich
Damals wurde vereinbart, durch den Einsatz von Neigetechnik-Zügen die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich auf 2 ¼ Stunden zu verkürzen. Heute ist man im InterCity-Zug knapp drei Stunden unterwegs. Die Achse Stuttgart – Zürich verbindet die besonders wirtschafts- und bevölkerungsreichen Ballungsräume Stuttgart und Zürich und sie erschließt dazwischen Regionen mit guten Entwicklungschancen.
Die Achse Stuttgart – Zürich ist eine elektrifizierte Hauptbahn und Bestandteil des Grundnetzes des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes (TEN). Sie ist Zulaufstrecke zur „Neuen Alpen-Transversale“ (NEAT), dem vor kurzem neu eröffneten Gotthard-Basistunnel Richtung Italien. Aufgrund ihrer vielen einspurigen und kurvenreichen Abschnitte ist sie jedoch nur beschränkt leistungsfähig.
Das Gutachten des Landes hat daher alle bestimmenden Größen für Fahrzeitverkürzungen, also die Schieneninfrastruktur sowie die Fahrzeuge (konventionelle wie Neigetechnikfahrzeuge) in den Blick genommen. Zusätzlich wurde erstmals eine komplette Betriebssimulation durchgeführt, um auch die Fahrplanstabilität eines beschleunigten Betriebs zu untersuchen. Dabei wurden auch die neuesten Angebotsplanungen insbesondere beim Schienenpersonennahverkehr in Deutschland und in der Schweiz einbezogen, sowie die Einbindung in die Knoten Stuttgart und Zürich.
Kernaussagen des Gutachtens
Eine Fahrzeitverkürzung von 19 Minuten, die durch bessere Anschlüsse im Gesamtnetz eine Fahrzeitverkürzung von einer halben Stunde bewirkt, kann bei einer wirtschaftlich optimalen Betriebsqualität (Fahrplanstabilität) unter folgenden Voraussetzungen erreicht werden:
- mit einem moderaten Mitteleinsatz (je nach Variantenwahl zwischen 220 Millionen und 285 Millionen Euro für den Ausbau der Infrastruktur),
- durch den Einsatz von Neigetechnikzügen.
Der Ausbau der Infrastruktur ist auch schrittweise möglich. Er nützt vor allem dem Personenfernverkehr, bringt aber auch viel für eine bessere Qualität im Personennahverkehr und im Güterverkehr. Damit werden alle Verkehrsarten und somit die Attraktivität der Schiene insgesamt gestärkt.